AFRIKA/MALI - Missionar: “Dschihadismus wird in erste Linie durch die Überwindung von Armut besiegt“

Mittwoch, 4 November 2020 dschihadisten   missionare   gewalt  

Bamako (Fides) - Ungerechtigkeit, Armut und Elend seien ein besonders guter Nährboden für dschihadistisches Gedankengut. Tausende arbeitslose junge Menschen seien auf der Suche nach Hoffnung, die sie oft in einer extremen Form der Religiosität finden, die sie dazu bringe, sich mit Waffegewalt gegen jeden zu wehren, der sich nicht zu ihrem Glauben bekennt. So beschreibt Pater Arvedo Godina von den Weißen Vätern, der seit 52 Jahren als Missionar in Mali tätig ist die Dynamik des islamischen Extremismus, der sich in der Sahelzone zunehmend ausbreitet. „Der Dschihadismus“, so fährt er fort, „ist zwar erst in den letzten Jahren aufgetaucht, aber die Probleme haben ihre Wurzeln in der Geschichte. Jedes Jahr absolvieren 10.000 Jungen und Mädchen ihren Abschluss. Von diesen können nur tausend sofort Arbeit finden. Die anderen 9.000 bleiben arbeitslos. Sie bewerben sich immer wieder um öffentliche Stellen und halten sich mit vielen kleinen Jobs über Wasser, aber oft ohne Hoffnung auf Besserung. Manche wandert aus. Aber keiner hat eien konkrete Perspektive“.
In diesem Sommer wurde Präsident Ibrahim Boubacar Keïta durch einen von den Streitkräften organisierten Staatsstreich gestürzt. Das Militär bildete daraufhin zusammen mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft eine Regierung, die eine wirksamere Wirtschaftspolitik und einen engen Kampf gegen Korruption auf den Weg bringen wollten. „Die Politik reagiert nicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung“, so Pater Arvedo. „Korruption ist weit verbreitet und bleibt ein Hindernis für das soziale und wirtschaftliche Wachstum der Nation“. Hinzu kommt der Anstieg einer zunehmend besser organisierte Kriminalität. Im Laufe der Jahre hat sich Mali zu einer Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel entwickelt. Ein Handel, der nach Schätzungen der Vereinten Nationen, hat einen Umfang von rund 26 Milliarden pro Jahr hat und zu weiterer Korruption, Gewalt, Verzweiflung und Drogenabhängigkeit führt.
Pater Arvedo war von Beginn an in der Diözese Bamako tätig. Zuerst als Koadjutor in der Pfarrei Kati, dann als Lehrer und Rektor des Seminars in Kulikoro und seit 1992 im Ausbildungszentrum für Katecheten in der Nähe der Mission Kati. Im Laufe der Jahre hatte er nie ernsthafte Konflikte mit Muslimen bemerkt. “Unter den Bambara”, erklärt Pater Arvedo, “es gibt ein Sprichwort, das lautet: In einem Dorf wird zuerst die Kochstelle gebaut und dann die der Moschee. Dies bedeutet, dass der Respekt vor dem Menschen und vor dem Dialog zwischen den Menschen zuerst kommt und dann die Unterschiede im Glauben. Die lokale Kultur basiert ausschließlich auf dieser einladenden Haltung. Ich habe kürzlich berechnet, dass 49% der Paare in der Gemeinde Kati mit einem christlichen Ehemann oder einer christlichen Ehefrau und einem muslimischen Ehepartner gemischt sind. Die gegenseitige Akzeptanz ergibt sich aus dieser Mischung. Der wahre Dialog findet in Familien statt und hat daher tiefe Wurzeln“.
Dieser gegenseitige Respekt wird jedoch durch die fortschreitende Verbreitung des islamischen Extremismus bedroht. Pater Arvedo begegnete bei seiner Arbeit als Gefängniskaplan auch Milizsoldaten: „Viele hoffnungslose junge Menschen haben in den Armen der dschihadistischen Netzwerke Zuflicht gesucht. Dort versuchen sie ihre Frustrationen zu kompensieren. Sie sagen, sie kämpfen gegen die westliche Welt und Christen, die sie als Ursache ihres Elends betrachten. Deshalb wiederhole ich: der Dschihadismus wird in erster Linie bekämpft, indem man die weit verbreitete Armut besiegt“. Im Gefängnis war versucht der Missionar mit den Milizsoldaten ins Gespräch zu kommen und ihnen zu helfen. „Ich rede mit ihnen, ich versuche sie zu unterstützen. Ich besorge Medikamente, wenn sie welche brauche. Ich erkläre ihnen das Christentum und helfe ihnen, es zu verstehen und einen Dialog zu führen”, so Pater Arvedo abschließend. “Zu einigen von ihnen entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Andere lehnen jedoch den Dialog ab und radikalisieren sich. Sie lesen immer wieder den Koran und ziehen die extremsten Lehren daraus. Wenn sie entlasssen werden, sind sie bereit, in die Reihen der islamistischen Kämpfer zurückzukehren ».
(EC) (Fides 4/11/2020)



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