ASIEN/KIRGISTAN - Forderungen der Demonstranten entäuscht: Staatliche Macht erneut konzentriert

Freitag, 23 Oktober 2020 zivilgesellschaft   politik   menschenrechte   korruption   demokratie   gesellschaft  

Bischkek (Fides) – "Die Proteste, zu denen es nach den Parlamentswahlen vom 4. Oktober in Kirgisistan kam, wenden sich gegen den offensichtlichen Kauf von Stimmen, diesmal mehr als in der Vergangenheit: In den Tagen vor den Wahlen konnte man Zeuge werden, wie sehr wir in Richtung Korruption abdriften. Hinzu kommt, dass die hohe 7%-Hürde des kirgisischen Wahlsystems dazu führte, dass nnur vier der sechzehn Parteien, die sich für Wahlen beworben haben, ins Parlament gelangen konnten. Dies sind natürlich die vier Parteien, die dem gewählten Präsidenten nahe stehen. Dies ließ in einem bereits in Aufruhr befindlichen System den Protest aufkochen“, so Davide Cancarini, Forscher und Experte für zentralasiatische Politik, zu den Gründe für die Unruhen in Kirgisistan.
In den Stunden nach der Wahl führten die Beweise für Wahlbetrug dazu, dass eine große Gruppe von Demonstranten in Bischkek, der Hauptstadt des zentralasiatischen Landes, auf die Straße ging und die Annullierung der Wahlen forderte, aus derder pro-russische Kandidat Sooronbay Jeenbekov als Gewinner hervorgegangen war. Die Demonstranten besetzten Regierungsgebäude und ließen inhaftierte Politiker frei, darunter den ehemaligen Präsidenten Almazbek Atambayev und Sadyr Japarov, die später zum Premierminister und Präsidenten ernannt wurden. Auf Protestsktionen hatte die Polizei mit Tränengas und ohrenbetäubenden Granaten reagiert: Bei den Zusammenstößen gab es nach Angaben des kirgisischen Gesundheitsministeriums einen Toten und 590 Verletzte.
Die Proteste ließ zehn Tage nach den Wahlen nach, als Ministerpräsident Kubatbek Boronov, Parlamentspräsident Dastanbek Jumabekov und der gewählte Präsident Jeenbekov von ihren Ämtern zurücktraten. Diese führte jedoch einer Zentralisierung der Befugnisse in den Händen von Sadyr Japarov, der nach seiner Ernennung zum Premierminister nun auch die Rolle des Präsidenten innehatte. Nach der kirgisischen Verfassung müssen die Aufgaben des Präsidenten bis zur Wahl eines neuen Staatsoberhauptes vom Präsidenten des Parlaments wahrgenommen werden. Wenn dieser dies nicht kann, werden die Befugnisse auf den Premierminister übertragen.
Cancarini erklärt diesbezüglich: „Ich glaube, dass die Lösung, zu der wir gekommen sind, die Forderungen der Demonstranten im Grunde verrät, die auf die Straße gegangen waren, um eine stärkere Öffnung des demokratischen Systems zu fordern. Tatsächlich ist auch Japarov eine sehr kontroverse Persönlichkeit, die von einem großen Teil der Bevölkerung nicht unterstützt wird. Als die Proteste ausbrachen, war er wegen Entführung eines Beamten im Gefängnis. Darüber hinaus steht es dem Matraimov-Clan nahe, der bekanntermaßen mit kirgisischen kriminellen Organisationen verbunden ist. An der Macht befindet sich daher nun eine ebenfalls umstrittene Figur, die bei den Menschen nicht sehr beliebt ist: Dies war sicherlich nicht das Szenario, das sich die Demonstranten vorgestellt hatten, als sie auf die Straße gingen."
Seit dem Fall der Sowjetunion bis heute gab es in Kirgisistan zwei weitere Krisen: die so genannte "Tulpenrevolution" von 2005 und die "zweite kirgisische Revolution" von 2010. Beide Male ging die Bevölkerung auf die Straße, um gegen Korruption und Armut zu protestieren und schaffte es die amtierenden Präsidenten aus dem Amt zu verdrängen, was aber nicht zu einer tatsächlichen Verbesserung der Bedingungen des Landes führt.
In Kirgisistan leben nach Angaben der Asiatischen Entwicklungsbank 22,4% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. In diesem Kontext lebt die kleinen katholischen Gemeinde: rund 1.500 Gläubige, die sich für Wohltätigkeit und Bildung einsetzen und sich mit ihren Projekten insbesondere auf junge Menschen aus armen Familien und ländlichen Dörfern konzentrieren.
Die katholische Gemeinde ist derzeit in drei großen Gemeinden in den Städten Bischkek, Jalal-Abad und Talas strukturiert, wobei es auch viele kleine Gemeinden in den ländlichen Gebieten des Landes gibt. Die Katholiken werden von sieben Priestern, einem Ordensbrudere und fünf Franziskanerinnen begleitet.
Neben der muslimischen Mehrheit sind 7% der Bevölkerung christlichen Glaubens, davon 3% orthodoxen Glaubens. Juden, Buddhisten und andere kleine Minderheiten machen etwa 3% der Bevölkerung aus.
(LF-PA) (Fides 23/10/2020)


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