ASIEN/LIBANON - Maronitischer Patriarch: Forderung nach “libanesischer Neutralität” wendet sich nicht gegen die Hisbollah

Freitag, 11 September 2020 mittlerer osten   ostkirchen   schiiten   sunniten   dialog   pluralismus   staatsbürgerschaft   geopolitik   sektierertum  

Foto Ani

Beirut (Fides) – Die Notwendigkeit der so genannten "libanesischen Neutralität", die der maronitische Patriarch Bechara Boutros Rai in den letzten Monaten mehrfach bekräftigte und als Ausweg aus der Systemkrise im Libanon bezeichnet hat, dürfe keinesfalls als politische Haltung im Kontrast zur schiitischen Hisbollah-Partei gewertet werden. Dies betonte der maronitische Patriarch am gestrigen 10. September, bei einem Treffen mit Vertretern des sogenannten „Spirituellen Rassemblements“, eines interreligiösen Gremiums, in dem sich Mitglieder verschiedener christlicher und muslimischer Konfessionen zusammenschließen.
Der Libanon - erklärte der maronitische Kardinal - sei von Natur aus neutral, gerade aufgrund seines kulturellen und religiösen Pluralismus, und der libanesische Staatspakt basiere auf dieser pluralistischen Neutralität. Wenn man diesen Weg der Neutralität nicht weitergehe - betonte der Patriarch - "werden sich die Maroniten in Richtung Frankreich, die Sunniten in Richtung Saudi-Arabien und die Schiiten in Richtung Iran bewegen". Der pluralistische und neutrale Status des Libanon befindet sich nach Ansicht des maronitischen Patriarchen durch das Aufkommen der gegeneinander kämpfenden sektiererischen Sektoren in einer Krise. Daher besteht die Gefahr, dass der Libanon bei Konflikten zwischen geopolitischen Blöcken im Nahen Osten auseinandergerissen wird. Dieser Prozess - so der Primas der maronitischen Kirche – sei auch die Wurzel der internationalen Isolation und Verarmung des libanesischen Volkes: eine Spirale, der man nur entkommen könne, wenn man seine eigene pluralistische Identität und die daraus resultierende Position der libanesischen Neutralität in Bezug auf die Konflikte im Nahen Osten bekräftige.
Die Vertreter des „Spirituellen Rassemblements“ schlossen sich dem Kardinal Rai und seiner Forderung nach der "libanesischen Neutralität" an, die sie als historische Position bezeichneten, die den Libanon vor bisher vor jeder ausländischen Intervention schützte.
Die Bestätigung der "aktiven Neutralität" des Libanon wurde von Patriarch Rai im "Memorandum für den Libanon", einem Mitte August veröffentlichten Dokument, im Detail erläutert und Dokumentiert (vgl. Fides 17/8/2020).
Der maronitische Patriarch erläuterte in seiner Ansprache an die Vertreter der Konfessionen, dass alle libanesischen politischen Kräfte seit der Veröffentlichung ihre offiziellen Positionen bezüglich des Memorandums auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht hatten, mit Ausnahme der schiitischen Partei der Hisbollah. In diesem Zusammenhang dementierte der Primas der maronitischen Kirche die "Missverständnisse", die in den letzten Wochen in den Medien entstanden waren die das Memorandum als politische Initiative interpretierten, die darauf abzielt, die Hisbollah zu isolieren. "Alles, was in den Zeitungen geschrieben wurde", betonte Patriarch Rai in dieser Hinsicht, "betrifft mich nicht und berührt mich nicht. Meine Position zur Neutralität ist nicht gegen die Hisbollah gerichet, sondern hat das Wohl aller Libanesen im Blick, denn heute trifft die Armut alle“. Über sich selbst sagte ´der Patriarch, er sei "zuerst Libanese und dann Maronit".
(GV) (Fides 11/9/2020)


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