AFRIKA/SIERRA LEONE - In Sierra Leone erregt die Festnahme des ehemaligen Staatspräsidenten Taylor nicht viel Aufsehen. „Die Menschen sind mit ihren alltäglichen Problemen beschäftigt“, so ein Missionar

Donnerstag, 30 März 2006

Freetown (Fidesdienst) - „Ich habe keine besonderen Reaktionen auf die Ankunft von Charles Taylor zum Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof festgestellt. Im Gegenteil, es scheint mir, als ob die Bürger des Landes mit ziemlicher Gleichgültigkeit auf die Festnahme reagieren“, so der italienische Xaverianer Missionar, Pater Giuseppe Berton, aus Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, wo am gestrigen 29. März der ehemalige Staatspräsident des Landes, Charles Taylor ausgeliefert wurde, der für den verheerenden Bürgerkrieg in den Jahren von 1991 bis 2002 verantwortlich sein soll.
„Die Menschen haben hier andere Probleme“, so Pater Giuseppe, „Die meisten Familien haben Mühe, jeden Tag etwas zu Essen zu besorgen und das Schulgeld für die Kinder aufzubringen. Unter solchen Bedingungen ist die Festnahme Taylors vom Alltag der Menschen sehr weit entfernt“.
„Gewiss Taylor wird sich für die Verbrechen verantworten, die er begangen hat“, so der Missionar weiter. „Ich hoffe, dass das Internationale Strafgericht ein unparteiisches Urteil fällen wird, vor allem um damit dem Justizsystem im Land mit gutem Beispiel voraus zu gehen. Ein Grund für die relative Gleichgültigkeit der Menschen ist auch die eigene Erfahrung mit der einheimischen Justiz: wer sich einen guten Anwalt leisten kann, braucht hier nichts zu befürchten. Arme Menschen werden dagegen verurteilt.“
„Ohne die Bedeutung der Festnahme Taylors herunterspielen zu wollen, möchte ich die internationale Staatengemeinschaft darum bitten, es dem Land zu ermöglichen, dass es wieder auf eigenen Beinen stehen kann und den Familien eine Zukunftsperspektive für sich und ihre Kinder zu schenken. Wir dürfen nicht nur die Vergangenheit verurteilen, sondern wir müssen auch auf die Zukunft des Landes blicken.“, so der Missionar abschließend.
Taylor lebte seit August 2003 im Exil in Nigeria und war am 27. März kurz vor seiner Auslieferung nach Liberia und von dort aus nach Sierra Leone untergetaucht. Das ehemalige liberianische Staatsoberhaupt wurde am frühen Morgen des 29. März in Borno im Nordosten Nigerias an der Grenze zu Kamerun rund 1.500 Kilometer von seinem bisherigen Aufenthaltsort in Calabar entfernt festgenommen. Der ehemalige „Kriegsherr“, der in den Vereinigten Staaten Wirtschaftswissenschaft studierte, befand sich zusammen mit einer Frau und einem Jungen an Bord eines Geländewagens mit Diplomatenkennzeichen. Er führte einen hohen Dollarbetrag mit sich. Nach seiner Festnahme wurde der 58jährige ehemalige Staatspräsident in ein Militärcamp in Maiduguri im nigerianischen Bundesstaat Borno gebracht und von dort aus zum Flughafen, wo ein Flugzeug des nigerianischen Präsidenten auf ihn wartete. Bei seiner Ankunft in der liberianischen Hauptstadt wurde er den „Blauhelmen der UNMIL (Mission der Vereinten Nationen in Liberia) übergeben, die ihn an Bord eines UN-Hubschraubers nach Freetown brachten.
Taylor soll die Rebellen der RUF unter Leitung von Foday Sankoh und dessen auf traurige Weise berühmt gewordenen Kindersoldaten in Sierra Leone im blutigen Bürgerkrieg im Tausch gegen die Diamanten aus dem Norden des Landes unterstützt haben. (LM) (Fidesdienst, 30/03/2006 - 43 Zeilen, 478 Worte)


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