AMERIKA/KOLUMBIEN - Pater Narváez: “Für einen dauerhaften Frieden braucht es Vergebung und Geduld”

Donnerstag, 25 Oktober 2018 vergebung   kriege   zivilgesellschaft   frieden   aussöhnung  

Bogotà (Fides) - „Es wird fälschlicherweise angenommen, dass Vergebung nur eine religiöse oder spirituelle Angelegenheit ist, aber Vergebung ist auch eine politische Tugend". Mit dieser Vision wurde die Stiftung „Fundacion para la Reconcilicion“ (FR) gegründet, die unter dem Vorsitz des kolumbianischen Priesters Pater Leonel Narváez von den Consolata Missionaren einen wichtigen Beitrag zum Friedensprozess in Kolumbien und zum Wiederaufbau des sozialen Gefüges in 21 Regionen leisten will.
Im Gespräch mit dem Fidesdienst erklärt Pater Narváez, dass sich in der kolumbianischen Gesellschaft eine "bürgerlichen Kultur der Vergebung" durchsetzt. "Wir versuchen, mit dieser Kultur in verschiedenen Bereichen zu verbreiten", so der Geistliche. Im Rahmen ihres Engagements für Versöhnung brachte die Stiftung in Zusammenarbeit mit anderen zivilen und religiösen Organisationen bereits vier Programme auf den Weg, mit denen sie die am stärksten von dem Konflikt betroffenen Gebiete - sowohl ländliche als auch städtische – erreicht. Nach Ansicht des Priesters „ist wahre Gerechtigkeit Wiederaufbau und nicht Beseitigung oder Strafe. In diesem Sinne sind wir davon überzeugt, dass Vergebung ein Menschenrecht ist und als solches anerkannt werden wird, sowohl für den Täter als auch für das Opfer. "
Vergebung ist in der Sichtweise der Stiftung "ein Prozess der Selbstbeobachtung, bei dem das Opfer der Erinnerung an die Tat eine neue Bedeutung gibt und die eigene Selbstsicherheit wiederherstellt; gleichzeitig lernt das Opfer, mit dem Schmerz umzugehen, ohne Groll oder Rache, und damit mit einer neuen Lebensperspektive ". Die Vergebung, so der Missionar, sei verwandt mit Gerechtigkeit, die wiedergutmacht, und mit dem Mitgefühl, das stärkt. In der Tat, so der Priester abschließend, "ist Vergebung die beste Medizin, die eine Person sich selbst verordnen kann: ohne Vergebung bleibt das Opfer für immer Opfer". Auf dieser Grundlage sollen die Opfer sich nach einer von der Stiftung erprobten graduellen Methode um Versöhnung mit dem Aggressor bemühen.
Pater Leonel ist optimistisch in Bezug auf die aktuelle Entwicklung in seinem Land: "Die Situation ist komplex, aber wir befinden uns in der schwierigen Phase der Nachkriegszeit". Wie Erfahrungen in anderen Ländern lehrten, dauere es „drei bis fünf Jahre, bis eine Normalität erreicht ist" und durchschnittlich 15 Jahre für die vollständige Umsetzung von Friedensabkommen. "Gegenwärtig gibt es immer noch Anlass zu Kritik am Justizsystem, doch wir befinden uns in einem Moment der progressiven Stabilisierung: Wir werden Frieden finden, wenn wir ruhig und gelassen bleiben". „Geduld" müsse dabei das Motto sein. "Die Leute neigen dazu zu denken, dass ein Tag nach der Unterzeichnung eines Abkommens Friedens herrscht. Aber Frieden muss aufgebaut werden. Frieden ist wie ein Baby, das zunächst sehr zerbrechlich ist, aber dann groß und stark wird".
(SM) (Fides 25/10/2018)


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