AFRIKA/NIGERIA - „Eine echte Demokratie und ein wahrer Rechtsstaat sind die wichtigsten Voraussetzungen zur Vorbeugung gegen Gewalt“, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz in Nigeria, Erzbischof Onaiyekan

Freitag, 24 Februar 2006

Abuja (Fidesdienst) - „Es ist nicht richtig, wenn man von Auseinadersetzungen zwischen den Religionen spricht, auch weil in diesen Fällen, wie immer kriminelle Elemente mit im Spiel sind, die solche Unruhen ausnutzen, zum Beispiel um Wohnungen zu plündern. Es war kein Zufall, dass im Norden die christlichen Mitglieder des Ibo-Volkes angegriffen wurden, bei denen es sich größtenteils um Katholiken handelt, die aus dem Süden stammen und Geschäftsleute sind und damit als wohlhabend gelten“, so der Vorsitzende der Nigerianischen Bischofskonferenz, Erzbischof John Olorunfemi Onaiyekan von Abuja. In Nigeria setzt sich die Gewalt der vergangenen Tage fort. Über 130 Menschen starben bei den seit fünf Tagen andauernden Episoden der Gewalt. Religiöse und ethnische Spannungen spitzen sich durch wirtschaftliche und politische Ungewissheit im Land zusätzlich zu. „Die Gewalt, zu der es in diesen Tagen kam, wird von Predigern vor Ort geschürt, die mit ihrer Rhetorik vor allem unter den jugendlichen Arbeitslosen Gehör finden, die in den extremistischen Botschaften einen Sinn für ihr Leben suchen. Der offizielle Islam befindet sich selbst in Schwierigkeiten gegenüber diesen selbst ernannten Predigern, die nicht kontrolliert werden können“, so der Erzbischof.
Erzbischof Onaiyekan fordert von den weltlichen Behörden Sicherheitsgarantien für alle: „Dies alles darf nicht dazu führen, dass die Verantwortlichkeit der weltlichen Behörden in den Hintergrund rückt, denn sie sollten die Gewalt verhindern. Auch diejenigen, die die Demonstration in Maiduguri organisiert haben, müssen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen zur Rechenschaft gezogen werden“. Am 18. Februar hatte in Maiduguri eine offiziell genehmigte Kundgebung gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen stattgefunden. Bei dieser Demonstration kam es jedoch plötzlich zu Ausschreitungen gegen christliche Kirchen und Wohnungen von christlichen Gläubigen, bei denen mehrere Menschen starben, darunter auch ein katholischer Priester. „Wenn Massenkundgebungen genehmigt werden, dann gibt es Regeln, die sowohl von den Organisatoren als auch von den Behörden eingehalten werden müssen“, so Erzbischof Onaiyekan, „diese sollen garantieren, dass sich unter die friedlichen Demonstranten keine Provokateure mischen. Ich möchte dies noch einmal sagen, damit sich die Episoden der Gewalt nicht wiederholen: der Staat muss für öffentliche Ordnung sorgen. Der Rechtsstaat ist die wichtigste Voraussetzung für die Beendigung der Gewalt“.
Der Erzbischof warnt auch vor der Gefahr der Manipulation der Religion zu politischen Zwecken: „Denken wir zum Beispiel an die Einführung der islamischen Gesetze in verschiedenen Staaten im Norden. Nigeria hatte jahrelang ein muslimisches Staatsoberhaupt und in dieser Zeit hat niemand daran gedacht, muslimische Gesetze einzuführen. Heute, wo wir mit Obasanjo einen christlichen Präsidenten haben, erinnerte man sich plötzlich an die Notwendigkeit der Einführung der islamischen Gesetze der Scharia als staatliches Recht.“
Nach Ansicht des Vorsitzenden der Nigerianischen Bischofskonferenz, gehört die wirtschaftliche Schwäche zu den Hauptproblemen des Landes, die eine Instrumentalisierung ermöglichen: „In Nigeria haben wir zwar Erdöl, doch es ist eine Art Fluch für das Land, weil es Korruption mit sich bringt“, so Erzbischof Onaiyekan, der daran erinnert, dass sich kaum jemand um die Bedürfnisse der Armen im Land kümmert. „Bis vor 15 Jahren hatten wir ein blühendes Handwerk, das jedoch ausstarb, weil alle nur noch mit dem Erdöl Gewinne machen wollten. Heute müssen wir alles aus dem Ausland einführen. Unterdessen sind viele junge Menschen, die keinen Arbeitsplatz finden eine einfache Beute für das organisierte Verbrechen und Extremisten“, so der Erzbischof von Abuja, der auch an Europa appelliert: „Die sich immer weiter ausbreitende Korruption in unsrem Land ist auch Schuld der westlichen Länder, die unsere Führungskräfte bestechen, damit sie das Erdöl zu besseren Preisen kaufen können. Doch ich glaube, dass diese Politik sehr kurzsichtig ist. Denn ich denke, es ist langfristig auch im Interesse Europas, dass die nigerianischen Jugendlichen Zukunftsperspektiven haben und dass eine wahre Demokratie und ein wahrer Rechtsstaat entstehen. (LM) (Fidesdienst, 24/02/2006 - 52 Zeilen, 618 Worte)


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