AMERIKA/KOLOMBIEN - Botschaft des Papstes an die Kolumbianer: “Widersetzt euch nicht der Versöhnung”

Montag, 11 September 2017 papst franziskus   frieden   aussöhnung  

Bogotà (Fides) – “Gehen wir den ersten Schritt” lautete das Motto des Besuchs von Papst Franziskus in Kolumbien, mit dem er hauptsächlich den Prozess der Versöhnung nach 50 Jahren Bürgerkrieg voranbringen wollte. “Versöhnung ist nicht ein Wort, das wir abstrakt auffassen müssten; wenn dem so wäre, würde sie nur Sterilität bringen, würde zu größerer Distanz führen. Sich versöhnen heißt, allen und jedem Menschen, welche das Drama des Konflikts erlebt haben, eine Tür zu öffnen“, so der Papst bei der Eucharistiefeier am 8. September in Villavicencio. “Wenn die Opfer die verständliche Versuchung zur Rache überwinden, wenn sie diese verständliche Versuchung zur Rache besiegen, werden sie zu den glaubwürdigsten Vertretern der Prozesse zum Aufbau des Friedens. Es ist nötig, dass einige den Mut fassen, den ersten Schritt in diese Richtung zu tun, ohne darauf zu warten, dass die anderen es tun. Es genügt ein guter Mensch, damit es Hoffnung gibt!”
“Dies bedeutet nicht, Unterschiede und Konflikte zu verkennen oder zu verschleiern. Es bedeutet nicht, persönliche oder strukturelle Ungerechtigkeiten zu legitimieren. Der Rückgriff auf die konkrete Versöhnung darf nicht dazu dienen, sich Situationen der Ungerechtigkeit zu fügen“, so der Papst weiter, “ Jede Friedensbemühung ohne eine ehrliche Verpflichtung zur Versöhnung wird immer scheitern“. Im Rahmen der Eucharistiefeier, sprach der Papst den kolumbianischen Bischof von Arauca Jesús Emilio Jaramillo Monsalve und den Priester Pedro María Ramírez Ramos selig, der als Märtyrer in Armero starb. Die beiden neuen Seligen bezeichnete er als “Zeichen dafür, der Ausdruck eines Volkes, das dem Morast der Gewalt und des Grolls entkommen will“.
Bei der „Gebetsbegegnung zur Nationalen Versöhnung“, mit Verwertern der Opfer der Gewalt, Soldaten und Polizisten, sowie ehemaligen Guerillakämpfer beim Kruzifix von Bojayá (Villavicencio), „das am 2. Mai 2002 das Gemetzel von Dutzenden von Menschen, die in der Kirche Zuflucht genommen hatten, erleben und erleiden musste“, betonte der Papst: “ Dieses Bild hat einen großen symbolischen und geistlichen Wert. Wenn wir es anschauen, betrachten wir nicht nur das, was an jenem Tag geschah, sondern auch den vielen Schmerz, den vielen Tod, die vielen gebrochenen Leben und das viele vergossene Blut im Kolumbien der letzten Jahrzehnte. Christus so zu sehen, verstümmelt und verwundet, ist ein Weckruf an uns“ und „zeigt, dass er gekommen ist, um für sein Volk und mit seinem Volk zu leiden; und um uns auch zu lehren, dass der Hass nicht das letzte Wort hat, dass die Liebe stärker ist als Tod und Gewalt. Er lehrt uns, den Schmerz in einen Quell des Lebens und der Auferstehung zu verwandeln, damit wir mit ihm und von ihm die Kraft der Vergebung und die Größe der Liebe erlernen“.
Mit Bezug auf Berichte der Zeitzeugen, die er als „Geschichten von Leid und Bitterkeit, aber auch und vor allem Geschichten von Liebe und Vergebung, die uns vom Leben und der Hoffnung“ bezeichnete, forderte Papst Franziskus die Kolumbianer auf: “ Habt keine Angst, um Vergebung zu bitten und sie zu gewähren. Widersetzt euch nicht der Versöhnung, die euch als Brüder und Schwestern einander nähern und wiederfinden hilft und die Feindschaften überwinden lässt. Es ist an der Zeit, Wunden zu heilen, Brücken zu bauen und Unterschiede einzuebnen. Es ist an der Zeit, den Hass auszulöschen, auf Rache zu verzichten und sich dem Miteinander zu öffnen, das auf Gerechtigkeit, Wahrheit und auf der Schaffung einer authentischen Kultur der solidarischen Begegnung”.
Einem Aufruf dazu, “ zum Wesentlichen zu gehen, sich zu erneuern und sich zu beteiligen”, sprach der Papst bei der Eucharistiefeier auf den Flughafen “Enrique Olaya Herrera” in Medellín am 9. September aus. Zum Wesentlichen gehen bedeute “in die Tiefe zu gehen, zu dem, was zählt und für das Leben Wert hat. Jesus lehrt, dass die Beziehung zu Gott kein starres Hängen an Normen und Gesetzen sein kann, und ebenso wenig ein Vollzug von bestimmten äußeren Handlungen, die nicht zu einer wirklichen Änderung des Lebens führen”. Auch die Erneuerung dürfe man nicht scheuen, denn “die Kirche ist immer in Erneuerung” und entspreche damit der Sendung des Herrn. “Und in Kolumbien gibt es so viele Situationen, die von den Jüngern den Lebensstil Jesu fordern, besonders die Liebe, die sich in Taten der Gewaltlosigkeit, der Versöhnung und des Friedens äußert“, so Papst Franziskus. “So wird heute von uns verlangt, in der Kühnheit zu wachsen, in einem Mut, der dem Evangelium entspricht. Dieser entspringt dem Wissen, dass es viele gibt, die Hunger haben, Hunger nach Gott – wie viel Menschen haben Hunger nach Gott! – Hunger nach Würde, weil sie beraubt worden sind“, betont der Papst in diesem Zusammenhang. „Vielmehr bittet uns Jesus, wie Er das mit seinen Jüngern machte: »Gebt ihr ihnen zu essen« (Mt 14,16); das ist unser Dienst. Das Brot Gottes zu essen, die Liebe Gottes zu essen, das Brot zu essen, das uns hilft zu überleben”. Abschließend wandte sich der Papst mit einem Appell an die Kirche in Kolumbien, die berufen sei, sich mit größerer Kühnheit in der Ausbildung von missionarischen Jüngern zu engagieren. …Missionarische Jünger, die sehen können ohne ererbte Kurzsichtigkeit; die die Realität mit den Augen und dem Herzen Jesu prüfen und von dort her beurteilen. Solche, die etwas wagen, die handeln und die sich einsetzen.”
Beim letzten großen Gottesdienst im Hafen von Contecar (Cartagena de Indias) betonte Papst Franziskus am 10. September schließlich: “In den vergangenen tagen habe ich viele Berichte von Zeitzeugen gehört, die auf diejenigen zugingen, di ihnen Böses getan hatten. Schreckliche Wunden, die ich selbst an ihrem Körper sehen konnte; unwiederbringliche Verluste, die noch heute zu Tränen rühren, und trotzdem gingen diese Menschen den ersten Schrit auf dem Weg, der anders sein soll, als der bisher beschrittene”.
(SL) (Fides 11/9/2017)


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