ASIEN/TÜRKEI - Der Leiter der Caritas und der Päpstlichen Missionswerke, der seit 25 Jahren in der Türkei lebt und arbeitet: „Wir dürfen den türkischen Islam nicht dämonisieren“

Mittwoch, 8 Februar 2006

Istanbul (Fidesdienst) - Der italienische Kapuziner Missionar Pater Adriano Franchini, der in der Türkei die Caritas und die Nationaldirektion der Päpstlichen Missionswerke leitet und seit 25 Jahren in der Türkei lebt und arbeitet, erklärt in einem Telefongespräch mit dem Fidesdienst zum Mord an dem italienischen Priester Andrea Santoro:
„Wir brauchen keine Angst vor dem türkischen Islam haben und dürfen ihn auf keinen Fall dämonisieren, denn sie Menschen sind hier seit Jahrhunderten an ein harmonisches Zusammenleben gewöhnt. Außerdem haben die türkischen Muslime sich in den vergangenen 70 Jahren mit der von Kemal Atatürk eingeführten säkularen Staatsform angefreundet. Wir Christen haben keine Angst, sondern führen unsere Pastoralarbeit unbesorgt weiter. Vielmehr sind fundamentalistische Strömungen Anlass zur Sorge, die ihre eigenen Vereine haben und auch über Tageszeitungen verfügen, von denen einige in den vergangenen Tagen zu religiösem Hass gegen den Westen aufriefen und dabei an die Kreuzzüge und den Kolonialismus erinnerten. Dabei bezeichneten sie den interreligiösen Dialog auch als eine „Falle des Vatikans“. Dieser Aufruf zu Hass kann sich auf das Bewusstsein fragiler Menschen auswirken, wie zum Beispiel die Jugendlichen, auf die leicht Einfluss genommen werden kann. Isolierte Gesten des Hasses einzelner Fanatiker sind immer möglich. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass das türkische Volk sich nicht in die Falle des Fundamentalismus locken lässt. Die Regierung möchte dies mit allen Mitteln verhindern und einer Zuspitzung der Lage vorbeugen: sie ist am Erhalt der öffentlichen Ordnung interessiert und möchte im Ausland das Bild von einem demokratischen und zivilisierten Land vermitteln.“
Pater Adriano erinnert sich persönlich an Don Andrea: „Sein Tod war für uns Katholiken in der Türkei tragisch. Mit der Caritas haben wir beschlossen, eine Woche lang in Trabzon nach den Hintergründen des Handels mit Mädchen aus dem Kaukasus zu forschen und eventuelle Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Als Katholiken können wir jedoch nicht direkt im sozialen Bereich tätig werden: wir müssen dabei immer mit einer türkischen Organisation zusammenarbeiten. Doch was den Mord an Don Andrea anbelangt vermute ich, dass es sich eher um die unbedachte Geste eines exaltierten Jugendlichen handelt.“ (PA) (Fidesdienst, 08/02/2006 - 29 Zeilen, 359 Worte)


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