ASIEN/IRAK - Sunniten, Schiiten und Kurden diskutieren kontrovers über die Zukunft der Region nach der Befreiung Mossuls

Montag, 10 Oktober 2016 sektierertum   kriege   dschihadisten   internationale politik  

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Mossul (Fides) – Im Vorfeld der seit Wochen angekündigten bevorstehenden Befreiung Mossuls vom Islamischen Staat (IS) wird unter den verschiedenen politischen, geopolitischen und sektiererischen Strömungen kontrovers diskutiert, insbesondere was die künftige politische und ethnisch-religiöse Verwaltung nach der Befreiung anbelangt. Immer wieder werden über Radiosender und Flugblätter Appelle verbreitet, die die Zivilbevölkerung auffordern sich nicht in der nähe der logistischen Basislager der Dschihadisten aufzuhalten und wenn möglich die Stadt zu verlassen. Doch im Laufe der Zeit werden Uneinigkeiten zwischen den politischen und militärischen Parteien sichtbar, die an der Befreiung der Hochburg des IS im Irak beteiligt sein sollen.
Uneinig über die Zukunft Mossuls und der Provinz Ninive sind sich vor allem die irakische Regierung und die autonome Provinz Kurdistan. Der Premierminister der Provinz Kurdistan, Nechirvan Barzani, hat sich am gestrigen 9. Oktober zur künftigen Verwaltung der befreiten Region und den möglicherweise dabei auftretenden Problemen geäußert, sollte man sich nicht im Vorfeld zwischen der Regierung in Bagdad und der kurdischen Regierung im Sitz in Erbil einigen "Alle politischen und religiösen Komponenten”, so “sollten Garantien über die Beteiligung an politischen Prozessen erhalten, die über ihre Zukunft in der Region und deren Verwaltung entscheiden“.
Die Vereinigten Staaten, die das militärische Bündnis im Kampf gegen den IS im Irak unterstützen, bemühen sich seit Monaten um die Entschärfung der Spannungen zwischen Erbil und Bagdad, auch was die künftige Verwaltung der Erdölvorkommen in der Region anbelangt. Unterdessen versucht die Regierung der autonomen Provinz Kurdistan sich die Zustimmung der sunnitischen Stämme in der Region zu sichern, wenn es um die Schaffung eines unabhängigen kurdischen Staates geht, der auch Mossul und die Provinz Ninive umfassen und im Rahmen eines Referendums beschlossen werden soll.
Doch insbesondere schiitische Kreise lehnen die Proklamation eines unabhängigen kurdischen Staates der vorwiegend von Sunniten und Kurden bewohnten Region im Nordirak ab. Wobei Schiiten als soziale und religiöse Komponente die Regierung in Bagdad unterstützen. Auch die irakische Armee setzt sich vorwiegend aus Schiiten zusammen und an der Seite der Armee kämpfen schiitische Milizen, die auch aus dem Iran unterstützt werden.
Zu weiteren Komplikationen trägt die Präsenz türkischer Einheiten auf dem Territorium bei. Am Samstag, den 8. Oktober, erklärte der irakische Abgeordnete Abdelaziz Hasan, dass die Offensive zur Befreiung Mossuls nicht beginnen wird, so lange sich türkische Truppen im Irak aufhalten. Doch bereits Anfang Oktober hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sich ebenfalls zur Lage im Irak geäußert und betont, dass “Türkei, Saudi Arabien und Katar eine sektiererische Vorherrschaft in der Region nicht zulassen”. Die Kontrolle über Mossul sollen nach Ansicht von Erdogan “sunnitische Araber, sunnitische Türken und sunnitische Kurden haben”.
Unterdessen versucht man von verschiedenen Seiten im Hinblick auf die Zukunft der Region auch die Unterstützung der Christen zu gewinnen, die nach dem Vormarsch des IS massenhaft fliehen mussten. “Versprechen” gegenüber Christen werden dabei oft zu Propagandazwecken im Hinblick auf einander widersprechende Pläne benutzt. Im Juli (vgl. Fides 19/7/2016) hatte der kurdische Präsident Barzani bei einem Treffen mit christlichen Politikern in Erbil die Schaffung einer “christlichen Provinz” in der Ninive-Ebene in Aussicht gestellt. Im Rahmen eines Referendums sollen dann die Einwohner der autonomen Verwaltungseinheit über die eigen politische Zugehörigkeit zum Unabhängigen Staat Kurdistan entscheiden.
(GV) (Fides 10/10/2016).




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