VATIKAN - „Die Kirche tut nichts anderes, als die Botschaft Christi zu verbreiten, der gekommen ist, den Frieden den Fernen und den Nahen zu verkünden“. Neujahrsaudienz des Papstes für die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten

Dienstag, 10 Januar 2006

Vatikanstadt (Fidesdienst) - „Die nicht wenigen und nicht einfachen Probleme, die die heutige Welt bewegen“ sind Gegenstand der Fürsorge des Diplomatischen Korps und des Heiligen Stuhls sowie der katholischen Kirche in aller Welt, „die mit jedem Schmerz, jeder Hoffnung und jedem Bemühen, die den Weg des Menschen begleiten solidarisch ist“. Bei seinem Neujahrsempfang für die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomanten am 9. Januar betonte Papst Benedikt XVI. die „gemeinsame Mission“, die Botschafter und Heiligen Stuhl vereint und nichts anderes ist, als die Friedensmission. „Die Kirche tut nichts anderes, als die Botschaft Christi zu verbreiten, der - wie der Apostel Paulus in seinem Brief an die Epheser schreibt - gekommen ist, den Frieden den Fernen und den Nahen zu verkünden (vgl. Eph 2,17). Und Sie, verehrte diplomatische Vertreter Ihrer Völker, verfolgen aufgrund der Statuten, die Ihnen eigen sind, unter Ihren edlen Zeilen, dasjenige der Förderung freundschaftlicher internationaler Beziehungen, die Substanz des Friedens sind“. Mit Blick auf die Situation in der heutigen Welt, in denen es Schauplätze kriegerischer Konflikte, aber auch mutiges Bemühen um Frieden gibt, gliederte Papst Benedikt XVI. seine Denkanstöße in vier Aussagen, aus denen wir die wichtigsten Absätze zitieren.
An erster Stelle: Das Engagement für die Wahrheit ist die Seele der Gerechtigkeit. „Wer sich für die Wahrheit engagiert kann nicht umhin, das Gesetz des Stärkeren abzulehnen, das von der Lüge lebt und das - auf nationaler und internationaler Ebene - in der Geschichte des Menschen oft zu Tragödien führte. Die Lüge umhüllt sich oft mit dem Schein der Wahrheit, doch in Wirklichkeit ist sie stets selektiv und tendenziös und zielt auf egoistische Weise darauf ab, den Menschen zu instrumentalisieren und ihn schließlich zu überwältigen…. Politische Systeme der Vergangenheit, aber nicht nur der Vergangenheit, sind dafür ein bitteres Beispiel … Die Suche nach Wahrheit selbst führt Sie gleichsam dazu, mit Nachdruck das zu bekräftigen, was Ihnen gemein ist, nämlich die Zugehörigkeit zum selben Wesen der Personen, jedes Volkes und jeder Kultur, die gleichen Respekt verdient. Und wenn diese Aspekte, die unterschiedlich und komplementär sind - die Unterschiede und die Gleichheit - bekannt und anerkannt sind, dann können Probleme gelöst und Streitigkeiten entsprechend der Gerechtigkeit beigelegt werden, und es ist tiefes und dauerhaftes Einverständnis möglich, während, wenn einer dieser Aspekte nicht anerkannt oder nicht genügend berücksichtigt wird, dann kommt es zu Unverständnis und Auseinandersetzung und der Versuchung der der Gewalt und der Unterdrückung. Mit fast beispielhafter Offensichtlichkeit scheinen diese Betrachtungen an jenem neuralgischen Punkt der Weltszene umgesetzt werden zu können, der das Heilige Land weiterhin bleibt. Dort muss der israelische Staat nach den Regeln des Völkerrechts friedlich existieren können; auch das palästinensische Volk muss dort seine demokratischen Strukturen für eine freie und glückliche Zukunft entwickeln können. Diese Betrachtungen gelten auch für den heutigen weltweiten Kontext, in dem nicht zu Unrecht die Gefahr eines Aufeinanderprallens der Kulturen erkannt wurde. Die Gefahr wurde durch den organisierten Terrorismus noch akuter, der sich mittlerweile weltweit ausgebreitet hat. Dafür gibt es zahlreiche und komplexe Gründe, nicht zuletzt ideologisch-politische, die sich mit irrigen religiösen Konzepten vermischen … Unter keinen Umständen kann eine solch verbrecherisches Handeln gerechtfertigt werden, das denjenigen mit Schande bedeckt, der es vollbringt und das um so verurteilenswerter ist, all dass es sich hinter dem Schutzschild der Religion verbirgt. Dabei erniedrigt es die Wahrheit Gottes auf das Niveau der eigenen sittlichen Blindheit und Perversion.“
Die zweite Aussage, mit der sich Papst Benedikt befasste, lautet: Das Engagement für die Wahrheit ist Grundlage und Stärke des Rechts auf Freiheit: „Die einzigartige Größe des menschlichen Wesens wurzelt schließendlich darin: der Mensch kann die Wahrheit erkennen. Und der Mensch möchte sie kennen. Doch Wahrheit kann nur durch Freiheit erlangt werden. Dies gilt für jede Wahrheit, wie aus der Geschichte der Wissenschaft hervorgeht; doch es trifft vor allem auf die Wahrheiten zu, bei denen der Mensch selbst als solcher auf dem Spiel steht, die Wahrheiten des Geistes: diejenigen die das Gute und das Böse betreffen, die großen Ziele und Perspektiven des Lebens , die Beziehung zu Gott. Allen Verantwortlichen der Vereinten Nationen möchte ich sagen: Wenn ihr euch nicht vor der Wahrheit fürchtet, dann könnt ihr euch auch nicht vor der Freiheit fürchten! Der Heilige Stuhl fordert für die katholische Kirche überall die wahre Freiheit und er fordert sie auf die gleiche Weise für alle.“
Die dritte Aussage lautet: Das Engagement für die Wahrheit öffnet der Vergebung und der Versöhnung den Weg. „Die Bitte um Vergebung und die Gewährung von Vergebung, die ebenso geschuldet ist - da für alle die Mahnung unseres Herrn gilt: wer ohne Sünde ist, werfe als Erste einen Stein! - sind unverzichtbare Elemente für den Frieden. Die Erinnerung wird dadurch gereinigt, das Herz ermuntert, und der Blick auf das, was die Wahrheit erfordert um Gedanken des Friedens zu entwickeln wird klar … Die Gedanken gehen spontan zu dem Land, in dem Jesus Christus, der Friedensfürst geboren ist, der für alle Worte des Friedens und der Vergebung fand; sie gehen in den Libanon, wo die Bevölkerung ihre historische Berufung zur aufrichtigen und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften wieder finden muss; sie gehen in den Nahen Osten und insbesondere in den Irak, die Wiege großer Kulturen, der in diesen Jahren täglich von blutigen terroristischen Aktionen heimgesucht wird. Sie gehen nach Afrika und vor allem in die Region der Großen Seen, wo immer noch die tragischen Folgen der Brüderkriege der vergangenen Jahre zu spüren sind; sie gehen zu den wehrlosen Menschen in Darfur, die von widerlicher Gewalt getroffen wurden, die gefährliche internationale Auswirkungen hat: sie gehen in die vielen Länder in verschiedenen Teilen der Welt, die Schauplatz blutiger Kämpfe sind“.
Die letzte Aussage lautet: Das Engagement für den Frieden schafft neue Hoffnung. „Der Frieden … ist nicht nur das Schweigen der Waffen; es ist viel mehr, der Friede, der das Entstehen neuer Dynamiken in den internationalen Beziehungen begünstigt, die ihrerseits zu Faktoren werden, die den Erhalt des Friedens fördern. Und sie sind nur solche, wenn sie der Wahrheit des Menschen und seiner Würde entsprechen. Ich denke hierbei an die unendlichen Nöte der Menschen, die Hunger leiden. Es gibt für sie keinen Frieden, auch wenn sie sich nicht im Krieg befinden: sie sind vielmehr wehrlose Opfer des Krieges. Spontan kommen dabei die erschütternden Bilder der großen Aufnahmelager für Flüchtlinge und Vertriebene in den Sinn, die - in verschiedenen Teilen der Welt - unter behelfsmäßigen Bedingungen leben um einem schlimmeren Schicksal zu entgehen, und dabei auf alles angewiesen sind. Sind diese Wesen nicht auch unserer Brüder und Schwestern? Sind ihre Kinder nicht mit demselben legitimen Anspruch auf Glück zur Welt gekommen, wie die anderen? Die Gedanken gehen auch zu all denjenigen, die durch unwürdige Lebensbedingungen zur Auswanderung gezwungen sind, fern von ihrer Heimat und ihren Lieben, in der Hoffnung auf ein humaneres Leben. Wir dürfen auch das Übel des Menschenhandels nicht vergessen, der weiterhin eine Schande unserer Zeit bleibt. Angesichts dieser „humanitären Notlagen“ und anderer dramatischer Probleme des Menschen sind viele Menschen guten Willens, verschiedene interntationale Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen nicht untätig geblieben … Und die Wahrheit verlangt, dass keiner der wohlhabenden Staaten sich der eigenen Verantwortung und der Pflicht zur Hilfeleistung entzieht und dabei zunehmend großzügig auf die eigenen Ressourcen zurückgreift. Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden statistischen Daten können wir behaupten, dass weniger als die Hälfte der weltweit für Rüstung bestimmten Summen ausreichen würde um die unendliche Armee der Armen dauerhaft aus ihrer Not zu befreien. Den Völkern, die unterhalb der Armutsgrenze leben, die vielmehr durch Situationen bedingt sind, die von internationalen politischen, kommerziellen und kulturellen Beziehungen abhängen, als nicht durch unkontrollierbare Umstände, kann und muss unsere gemeinsames Engagement in der Wahrheit neue Hoffnung geben“. (SL) (Fidesdienst, 10/01/2006 - 100 Zeilen, 1.280 Worte)


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