AFRIKA/ANGOLA - Minderjährige sollen nie mehr von Gerichten für Erwachsene verurteilt werden: Projekt des Instituts der Vereinten Nationen für Verbrechensforschung und Justiz fordert die Wiedereinführung von Jugendgerichten und die Wiedereingliederung Minderjähriger in die Gesellschaft

Dienstag, 29 November 2005

Luanda (Fidesdienst) - Die wahren Opfer des Bürgerkrieges in Angola, der im Jahr 2002 zu Ende ging, sind die Kinder: von rund 15 Millionen Einwohnern sind fast die Hälfte unter 15 Jahre alt, rund 70% der Bevölkerung ist unter 24 Jahre alt. Dies geht aus der Konferenz „Jugendjustiz: verleugnete Rechte. Strategien und Interventionen“ hervor, die am 28. November in Rom stattfand. Die Konferenz wurde vom Institut der Vereinten Nationen für Verbrechensforschung und Justiz (UNICRI) in Zusammenarbeit mit der italienischen Regierung und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen, darunter der Verband der freiwilligen Helfer für Entwicklungszusammenarbeit (VIS) veranstaltet.
Der Krieg von 1975 bis 2002 hat die Funktionsmechanismen in Familien und Gemeinden tief greifend verändert, so die Experten in ihren Beiträgen. Das soziale Gefüge hat sich grundlegend verändert und leidet unter dem Verlust von Werten und Traditionen auf denen es früher gründete und, die die Solidarität sicherstellten, insbesondere wenn es um den Schutz von Minderjährigen geht. Die institutionelle Rolle des traditionellen Gesellschaftssystems basierend auf informellen Gesetzen und dem Urteil der Ältesten in den Gemeinden - wurde damit beeinträchtigt, was den Schutz der Minderjährigen anbelangt.
Die Gemeinschaft sorgte seit jeher für den Schutz der Kinder, doch der Krieg hat diese sozialen Mechanismen gestört. Während der Jahre des Krieges mussten Kinder im Alter unter 15 Jahren als Rekruten in den Krieg ziehen, vor allem wegen ihrer geringen Kosten. Bei Ende des Krieges waren nach Schätzungen rund 10% der Soldaten Minderjährige und rund 16.000 Kindersoldaten wurden aus den Reihen der Armee entlassen, während etwa 30.000 Mädchen und Jungen verschleppt wurden. Viele Minderjährige wurden während der Kriegsjahre getötet oder verstümmelt, andere mussten in extremer Armut leben. Im Jahr 1996 solle es allein in Luanda rund tausend minderjährige Prostituierte gegeben haben. Zwischen 1990 und 1995 sollen über 23.000 Verbrechen von und 31.000 Kinder begangen worden sein. In 39% der Fälle handelte es sich um Diebstahl.
Über 11% der Kinder im Alter unter 14 Jahren sind Kriegswaisen. Unter den ehemaligen Kindersoldaten sind vor allem durch Traumata bedingte Verhaltensstörungen und Drogenkonsum weit verbreitet.
Vor dem Eingreifen des UNICRI hatte die Jugendjustiz in Angola seit zehn Jahren nicht mehr funktioniert und in der Zwischenzeit waren die Jugendlichen von Gerichten für Erwachsene verurteilt worden. Die Minderjährigen wurden in Haftanstalten oder auf Polizeikommissariaten zusammen mit Erwachsenen untergebracht und nur für eine Minderheit bestand die Möglichkeit der Ausübung des Anspruchs auf eine gerichtliche Verhandlung. Wie aus der zur Vorbereitung des Projekts gesammelten Daten (1998) hervor geht, wurden 493 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 11 und 15 Jahren in Haftanstalten festgehalten.
Das UNICRI-Projekt basiert auf der Strategie der zumindest teilweisen Wiederherstellung des früher in Angola bestehenden Justizsystems: das Bemühen um Versöhnung in der Gemeinschaft. Am 28. Oktober 2002 billigte die angolanische Regierung mit Unterstützung des UNICRI neue Regelungen zum Schutz von Minderjährigen, die den juridischen Rahmen zur Entwicklung und Durchführung des Projekts darstellen. Das Jugendgericht wurde als Instrument konzipiert, das mit dem gesellschaftlichen Gefüge zusammenwirken soll. Die Richter berücksichtigen bei ihrem Urteilsspruch heute auch Element wie das psychologische Profil und die Lebensbedingungen der minderjährigen Angeklagten. In den Jahren 2003/2004 ging es im 19% der Fälle um Tötung, der durch Unachtsamkeit anderer Familienagehörigen bei der sicheren Aufbewahrung der Waffen verursacht wurde. Dank einer Aufklärungskampagne konnte die Zahl dieser Fälle von 19% auf 5% reduziert werden. (LM) (Fidesdienst, 29/11/2005 - 53 Zeilen, 568 Worte)


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