AMERIKA/BOLIVIEN - Gemeinsames Schreiben der katholischen Kirche und anderer christlicher Konfessionen: dringlicher Appell an alle Teile der Gesellschaft, der Institutionen und der Regierung mit der Bitte, über die eigenen Interessen hinauszusehen und vor allem das Leben zu schützen

Samstag, 4 Juni 2005

La Paz (Fidesdienst) - Angesichts des wachsenden Klimas der Unsicherheit und dem erneuten Scheitern einer Einigung im Parlament sowie zur Beruhigung der sozialen Spannungen im Land beraumte der bolivianische Staatspräsident Carlos Mesa am Montag, den 1. Juni um 23.00 Uhr mit dem Dekret 28195 für den kommenden 16. Oktober die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung ein. Außerdem soll im Rahmen einer Volksabstimmung über die regionalen Autonomien abgestimmt werden. In diesem Zusammenhang forderte er auch die katholische Kirche auf, den Dialog zu fördern oder ein Treffen der beteiligten Parteien zu begünstigen, damit sich alle Bürger und Bürgerinnen des Landes gemeinsam um eine Lösung der Staatskrise bemühen. Die katholische Kirche veröffentlichte daraufhin gemeinsam mit den anderen christlichen Konfessionen am 2. Juni bei einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Katholischen Bischofskonferenz in La Paz eine ökumenische Verlautbarung mit dem Titel: „Sucht gemeinsam nach einer Einigung“. Die gemeinsame Stellungnahme ließ der Sekretär der bischöflichen Kommission für den Dialog Moises Morales dem Fidesdienst zukommen.
Das Schreiben ist in drei Kapitel unterteilt („Die strukturellen Ursprünge der heutigen Situation“, „Über die Aufgeben hinaus“ und "Der Schutz des Lebens an erster Stelle“) und analysiert die derzeitige Krise in Bolivien. Zu Beginn ihres Schreibens erklären die Vertreter der christlichen Konfessionen, dass sie selbst vielleicht nicht immer alles Notwendige unternommen haben, um in ausreichendem Maß vom Reich der Gerechtigkeit der Gleichheit und der Liebe zu zeugen und bringen jedoch gleichsam ihre Absicht zum Ausdruck, sich gemeinsam und entschieden zu den jüngsten Ereignissen im Land zu äußern.
„Wir fühlen uns erneut von einer waren Staatskrise überwältigt, bei der auch die Gefahr besteht, dass wir Menschenleben beklagen müssen, und wir riskieren, dass die Perspektive einer Identität und einer Gesellschaft, die niemanden ausschließt, sondern in der sich alle in gleichem Maß beteiligen können, verschoben oder ganz gestrichen werden“. Nach Ansicht der Religionsvertreter sind Äußerungen, die den internen Konflikt schüren, und das Schweigen oder die Abwesenheit derer, die Verantwortung tragen, Symptome einer tief greifenden strukturellen Krise, deren Ursprünge weit in die Geschichte des Landes zurückreicht. Außerdem bezeichnen sie „Autoritäres Vorgehen, Resignation, mangelnde Möglichkeiten der Meinungsäußerung und Teilhabe, sowie die Korruption in politischen und sozialen Organisationen“ als „erschwerende Faktoren“.
Trotzdem erlebe das Volk eine entscheidende Phase für das Land. In diesem Zusammenhang weisen die Religionsvertreter jedoch darauf hin, dass die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für das Land infolge des verantwortungslosen Vorgehens verschiedener Teile der Gesellschaft, enttäuscht werden könnte: die verschiedenen staatlichen Gewalten befänden sich im Wettbewerb untereinander, Politiker und Vertreter der Gesellschaft handelten unverantwortlich, die Regionen arbeiteten gegeneinander und es fehle eine echte Information. Deshalb fehle es „an den notwendigen Voraussetzungen für einen radikalen Wandel in der bolivianischen Gesellschaft“.
Indem sie daran erinnern, dass sie zum Dienst am bolivianischen Volk berufen seien, bitten die Religionsführer alle beteiligten Parteien, am demokratischen Prozess festzuhalten und die Entstehung einer verfassungsgebenden Versammlung zu unterstützen. Diese sei gegenwärtig die beste Plattform für den Aufbau einer neuen gesellschaftlichen Struktur. Außerdem wünschten sie sich Engagement für eine Dezentralisierung und eine effektive und solidarische Autonomie, die Umsetzung ethischer Werte, Transparenz und das Einhalten gegebener Versprechen zur Förderung des Vertrauens in die Institutionen und die Überwindung von Eigeninteressen zum Schutz des Gemeinwohls. (RZ) (Fidesdienst, 04/06/2005 - 51 Zeilen, 559 Worte)


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