AFRIKA/DEMOKRATISCHE REPBULIK KONGO - „PATRIOTISMUS ENTWICKELN UND DABEI GESCHWISTERLICHE BEZIEHUNGEN ZU DEN BÜRGERN DER LÄNDER UNTERHALTEN MIT DENEN WIR UNS IM KRIEG BEFINDEN“: HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE EVANGELISIERUNG IM KONGO. INTERVIEW MIT DEM ERZBISCHOF VON KISANGANI

Montag, 21 Juli 2003

Kinshasa (Fidesdienst) – „Der Herr stellt seine Jünger in der Region der Afrikanischen Großen Seen der Herausforderung gegenüber, ein Leben zu führen, dass dem Evangelium ganz entspricht“, so der Vorsitzende des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM), Erzbischof Laurent Monsengwo Pasinya, in einem Interview mit dem Fidesdienst, in dem er vor allem auch über den Krieg spricht, der in seinem Land (Demokratische Republik Kongo) und in anderen Staaten in der Region der Afrikanischen Großen Seen (Burundi, Ruanda und Uganda) herrscht. Die Demokratischen Republik Kongo befindet sich in einer schwierigen Phase ihrer Geschichte, nachdem am vergangenen 17. Juli eine neue Regierung der Nationalen Einheit eingesetzt wurde. Die erste Sitzung der neuen Regierung wurde bereits verschoben, nachdem die Minister aus den beiden Rebellenbewegungen sich geweigert hatten Staatspräsident Joseph Kabila ihre Treue zu schwören.
Es folgt der Wortlaut unseres Interviews mit Erzbischof Laurent Monsengwo Pasinya:

In Ihrem Land herrscht seit 1998 ein Krieg, bei dem bisher über 3 Millionen Menschen gestorben sind. Gibt es Zeichen der Hoffnung?
Die jüngsten Fortschritte und vor allem die Vereinbarungen hinsichtlich der Übergangsverfassung und der Bildung neuer politischer Institutionen (Regierung, Parlament und Magistratur) sind wichtige Zeichen der Hoffnung, obschon man nur langsam vorankommt und ständig die Gefahr möglicher kriegerischer Handlungen besteht.

Wie sieht die Evangelisierungstätigkeit in einem Land aus, das vom Krieg gespalten ist? Wie können Frieden und Versöhnung gefördert werden?
Ein Krieg stellt die Kirche und die Evangelisierung stets zahlreichen Herausforderungen gegenüber. An erster Stelle teilt ein Krieg Männer und Frauen in eine oder mehrere Gruppen auf. Die Kirche muss diese Spaltung überwinden und Initiativen ergreifen, die unter Beweis stellen, dass sie das Sakrament der Einheit für die Menschen ist, wie auch das Zweite Vatikanische Konzil lehrt. An zweiter Stelle gefährdet der Krieg das Leben. Die Kirche muss das Evangelium des Lebens verkünden und allen bewusst machen, dass die Banalisierung des Lebens ein Verbrechen ist. An dritter Stelle heißt es auch im Hirtenbrief des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM) zum Thema „Christus ist unser Frieden“ (Eph 2,14), „zu Krieg und Konflikt –auch bereits im latenten Stadium - kommt es immer dann, wenn gegen ein Recht verstoßen wird“. Die Kirche muss deshalb auf Menschenrechtsverstöße hinweisen und verkünden, dass es ohne Gerechtigkeit keinen dauerhaften Frieden gibt. Im Fall unseres Landes muss die Kirche vor allem darauf bestehen, dass nach Lösungen gesucht wird, die auf dem Dialog gründen und nicht auf der Waffengewalt, und die sich auf den Respekt für die Rechte der Staaten (territoriale Integrität und nationale Souveränität) sowie auf die Rechte von Personen und Gemeinschaften beziehen. An vierter Stelle führt ein Krieg zu Gefühlen des Hasses, der Rache und der Ausländerfeindlichkeit. Die Kirche, das Sakrament der Vergebung und der Versöhnung muss das Evangelium der Versöhnung und der Geschwisterlichkeit predigen: „Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Vergebung“ (Johannes Paul II.). In der Demokratischen Republik Kongo hat die Kirche wie auch in den anderen afrikanischen Ländern versucht, das Konzept von der „Kirche als Familie Gottes“ umzusetzen, wenn es darum geht dem Krieg entgegenzuwirken: du kannst deinen Bruder oder deine Schwester nicht töten. Die Familie ist an sich kein Ort des Streites und des Konflikts sondern der Harmonie und des Friedens.

Welchen anderen Herausforderungen steht die Kirche in der Demokratischen Republik Kongo gegenüber?
Abgesehen von den vier bereits genannten Herausforderungen (Zeugnis von der Einheit unter den Menschen, des Evangeliums des Lebens, des Friedens, der Gerechtigkeit, des Vergebens, der Versöhnung und der Geschwisterlichkeit ablegen) gibt es für die Christen eine weitere Herausforderung: sie müssen Patriotismus entwickeln und sich dabei als Brüder und Schwestern jener Länder empfinden, mit denen wir uns im Krieg befinden. In Wirklichkeit stellt der Herr seine Jünger in Afrika der Herausforderung gegenüber, ein Leben zu führen, das ganz dem Evangelium entspricht. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass man in einem Land, in dem schon so lange Krieg herrscht theologische Erfahrungen machen kann, dies gilt auch für die Hirten, die bei ihren Gläubigen die Hoffnung wach halten sollen. Schließlich gehört auch die Option für Arme, Entrechtete, Flüchtlinge und Vertriebene eines Volkes, dessen Not nie endet, zu den großen Herausforderungen. Dies könnte den Verantwortlichen der Kirche die Haare zu Berge stehen lassen.

Welche Beschlüsse haben die Kongolesischen Bischöfe bei ihrer Vollversammlung vom 7. bis 12. Juli in Kinshasa gefasst?
Diese Vollversammlung war ein Ereignis der besonderen Art. Sie fand während des Besuchs von Kardinal Crescenzio Sepe in unserem Land statt. Dies hat dazu geführt, dass es zwei Arten von Arbeitssitzungen gab: zum einen die Treffen mit dem Kardinalpräfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker mit allen Bischöfen beim Sitz der Kongolesischen Bischofskonferenz (CENCO) und in der Apostolischen Nuntiatur mit den Vertretern der verschiedenen Provinzen; zum anderen die Versammlungen der Kongolesischen Bischöfe. Im Rahmen der Versammlungen der Bischöfe wurden die Bereichte der verschiedenen bischöflichen Kommissionen geprüft und die neuen Stauten der Katholischen Fakultäten von Kinshasa gebilligt, die sich zur Katholischen Universität Kongo zusammenschließen werden. Außerdem wurden die neuen Statuen für den Diözesanklerus gebilligt und die Statuten der katholischen Laien geprüft. Einstimmig beklagten die Bischöfe den Mangel an politischem Willen bei der Suche nach angemessenen Lösungen für die Bevölkerung im Kongo. Deshalb appellierten sie an alle öffentlichen Verantwortlichen, die eigenen Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, und an alle Bürger des Landes, sich auf den Weg der Vergebung, der Versöhnung und des Friedens zu begeben. (LM) (Fidesdienst, 19/7/2003 – 82 Zeilen, 908 Worte)


Teilen: