VATIKAN - Die Betrachtung des Schönen fördert das Verständnis des Geheimnisses und das Verständnis des Geheimnisses fördert die Umkehr im eigenen Leben. Interview mit Erzbischof Mauro Piacenza anlässlich der Kunstausstellung im Vatikan zum Jubiläum des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis

Samstag, 5 März 2005

Vatikanstadt (Fidesdienst) - „Eine Frau im Sonnenkleid - Die Unbefleckte Empfängnis in den Werken der großen Meister“ lautet der Titel einer Ausstellung der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche zum 150jährigen Jubiläum des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis, die seit kurzem im Vatikan zu sehen ist. Die Ausstellung umfasst mit ihren über 100 Werken (Gemälde, Skulpturen, Schriften, Schmuckgegenstände, liturgische Gegenstände, etc) einen Zeitraum von rund 1000 Jahren. Der Besuch der sechs verschiedenen Abschnitte der Ausstellung ist nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern ein Weg, der zum Nachdenken anregt und das Verständnis fördert und den Geist zur Betrachtung des Schönen einlädt. Der Fidesdienst Sprach mit dem Präsidenten der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche und der Päpstlichen Kommission für Sakrale Archäologie, Erzbischof Mauro Piacenza, darüber, wie die Kunst mit der Geschichte der Kirche in Verbindung steht.


Exzellenz, Sie sind Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche. Damit sind sie verantwortlich für ein umfassendes Erbe, das oft ein direktes Zeugnis vom Leben der Kirche und damit von der Sendung der Kirche im Laufe der Jahrhunderte darstellt…
Ja, das künstlerische Wirken ist in der Tat auch Zeugnis vom Leben der Kirche und damit von ihrer Sendung. Sie stellt auf eine persönliche Art und Weise, wie Sendung erlebt wird. Diese Kulturgüter, die im Schoß des Glaubens herangewachsen sind und zur Glaubensverkündigung beitragen, zeigen wie das Herz des Glaubens im Alltag schlägt.

Die Kulturgüter sind also Ausdruck der Kirche selbst?
Die Kulturgüter könnten als lebendiges Zeugnis der Überlieferung bezeichnet werden, als Zeugnis des Wirkens der Kirche in der Welt unter Leitung des Heiligen Geistes zur Verbreitung des Evangeliums unter allen Völkern, d.h. unter den Nichtgläubigen aller Zeiten, sowie als geistliche und kulturelle Stärkung der Gläubigen.

Kann eine Zeugnis durch die Hinführung zum Interesse an Kulturgütern Ihrer Meinung nach die Menschen auch heute noch für Christus begeistern?
Die Kirche kann künstlerische Ausdrucksformen weiterhin als privilegierte Instrumente der Begegnung und der Auseinandersetzung mit den heutigen Generationen nutzen und in diesem Sinn die eigene missionarische Sendung durch die kulturelle Förderung und die christliche Glaubensverkündigung fortsetzen. Die vielfältigen Ausdrucksformen, die in der Schönheit eine universelle Sprache und eine Verbindung bei der Annäherung an das Sakrale darstellen, sind ein spirituelles Erbe jeder Kultur, die dann ein Stadium der Reifer erreicht, wenn sie durch die Verkündigung des Evangeliums zur christlichen Umkehr und daraus folgend zu einer authentischen Entwicklung beiträgt.

Hat die Kirche Ihrer Meinung nach ´historisch gesehen der Kunst seit jeher ein besonderes Augenmerk gewidmet oder eher nicht?
Seit den Zeiten der Urkirche haben kirchliche Einrichtungen sich stets für den Bereich der Kunst interessiert. Papst Zefirinus (199-217 hat zum Bespiel die Kontrolle beim Bau der Katakomben in der römischen Via Appia dem Diakon Callixtus anvertraut, der später sein Nachfolger werden sollte, und dabei an ein Werk gedacht, dass der Nachwelt erhalten bleiben und mit seinen Fresken zur Inkulturation des Glaubens beitragen sollte. Der Christenverfolgung folgte die Zeit des Baus der großen Basiliken und es begann die Debatte über sakrale Malerei. Im Mittelalter wurde ganz Europa eine enorme Baustelle der Kathedralen und in der Renaissance suchten die wichtigsten Künstler nach neuen Formen der Inkulturation des Sakralen in der klassischen Kunst; in den darauf folgenden Jahrhunderten versuchte jede Generation der christlichen Zivilisation ein Zeichen des eigenen Glaubenswegs zu hinterlassen; auch im schwierigen Umfeld des 20. Jahrhundertes hat die Kirche die Allianz mit der Kunst erneuert, wie dies die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils an die Künstler forderte.

Wie steht es um die Kunst und ihre Beziehung zum ästhetischen Genuss …

Die Kunst sollte durch die auf das Wahre und Gute ausgerichtete Schönheit zum Wandel der Welt anregen. In diesem Kontext ist der ästhetische Genuss etwas, das an den Genuss des Zusammenlebens mit anderen erinnern soll. Ästhetische oder hedonistische Irrlehren, die moderne Kulturen gekennzeichnet haben, sollten durch eine erneuerte ethische Ära durch den Einsatz liberaler Kunst überwunden werden.
Künstler tragen deshalb große ethische Verantwortung, weil die Kunst einen beachtlichen Einfluss auf die Menschen ausübt. Wahre Künstler gehören zu den größten Wohltätern der Menschheit, da sie das Wesen des Menschen, d.h. dessen Spiritualität anregen. Durch ihre Werke loben sie das Göttliche und faszinieren damit, weil die Schönheit die Inhalte betont. Ihre Werke bringen das Eigentliche des Menschen zum Ausdruck, der mit seinen Mitmenschen in Beziehung stehen will, indem er Gefühle, Absichten und Entscheidungen mitteilt.

Welche Beziehung besteht zwischen der Kunst und der mystischen Erfahrung?
Es besteht eine sehr enge Beziehung, denn die Kunst zielt gerade auf die Öffnung des Menschen gegenüber Gott ab. Die Kunst öffnet das Bewusstsein für das Absolute und regt die Gemüter zum Gotteskult im Geist der Wahrheit an. Das Schöne ist der Glanz der Formen, das Sakrale ist der Glanz der göttlichen Herrlichkeit. Der Glanz der Formen ist das Ergebnis und die Ausdrucksform der Betrachtung der göttlichen Herrlichkeit. (Fidesdienst, 05/03/05 - 79 Zeilen, 826 Worte)


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