ASIEN/SYRIEN - Syrischer Franziskanerpater: „Nichts ist schlimmer als ein Konflikt zwischen den Religionen“

Donnerstag, 19 September 2013

Vatikanstadt (Fidesdienst) – „Religion und Politik müssen getrennt werden. Nichts ist in dieser Situation schlimmer als ein Konflikt zwischen den Konfessionen. Syrien ist ein Land mit vielen verschiedenen Ethnien und Religionen. Unter Christen und Nichtchristen gibt es unterschiedlich politische Meinungen, obschon die meisten Syrier heute durch die Gewalt zum Schweigen gezwungen sind“, so der syrische Franziskanerpater Bahjat Karakach aus Aleppo, der für die Ausbildung der Postulanten der „Kustodie im Heiligen Land“ verantwortlich ist. Der Ordensmann spricht im Interview mit dem Fidesdienst über die dramatische Lage in seinem Heimatland und das Leben seiner Mitbrüder vor Ort.

Pater Karakach, welche Nachrichten gibt es von Ihren Mitbrüdern aus Aleppo?

Unsere Mitbrüder berichten aus Aleppo, dass die Stadt in einer Spirale der Gewalt gefangen ist. Seit langem ist die humanitäre Lage gefährdet, in einigen Stadtteilen gibt es weder Strom noch Wasser und die Lebensmittel sind für die zunehmend ärmer werdende Bevölkerung sehr teuer. Aleppo die Stadt, in der die Not heute am größten ist. Für die zweitgrößte Stadt Syriens gibt es nur noch eine Zufahrtsstraße, die von den Oppositionellen streng bewacht wird, die die Straße öffnen und schließen, wann sie wollen.

Wie kann in einem derart dramatischen Umfeld das Charisma des Friedens und der Nächstenliebe der Franziskaner gelebt werden?

Der einfache und herzliche Umgang mit allen Menschen gehört zum DNA der Franziskaner. Während andere aufstehen und sich bewaffnen oder fliehen, leben unsere Mitbrüder unter den Menschen, die Not leiden, mit den Waffen des Glaubens und der Nächstenliebe. Als Franziskaner wollen wir in Syrien vor allem Trost spenden und die Verbundenheit mit den Menschen, Christen und Nichtchristen, zum Ausdruck bringen. In Aleppo stehen unsere Kirchen auch anderen christlichen Gemeinden zur Verfügung, die ihre eigenen Kirchen nicht zum Gebet benutzen können. Und unsere Klöster beherbergen Vertriebene aller Religionen. Über unseren Orden erhalten alle Bedürftigen unterschiedslos materielle Hilfe.

Manche Beobachter behaupten, dass „Christen dem Assad-Regime treu sind“: Wie beurteilen Sie eine solche Vereinfachung?

Ich glaube, dass Religion und Politik getrennt werden müssen. Nichts ist in dieser Situation schlimmer als ein Konflikt zwischen den Konfessionen. Syrien ist ein Land mit vielen verschiedenen Ethnien und Religionen. Wenn der religiöse Fundamentalismus zunimmt, zahlen die ‚Minderheiten’ den Preis dafür. Nicht nur Christen, sondern alle Minderheiten leben in der Angst vor Verfolgung und Unterdrückung. Heute macht sich unter den oppositionellen Kräften der Fundamentalismus zunehmend breit. Es gibt auch oppositionelle Einzelpersonen und Gruppen, die sich einer solchen Ideologie nicht anschließen, doch leider haben sie auf der politischen Bühne nur wenig Gewicht. Dabei gibt es sowohl unter Christen als auch unter Nichtchristen sehr unterschiedliche politische Meinungen, doch derzeit sind die meisten Syrer – aller Religionen und Ethnien – zum Schweigen gezwungen, weil sie mit der Gewalt, die das Land spaltet nicht einverstanden sind.

Wie beurteilen Sie nach der Gebetsinitiative des Papstes und den diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls die Aussichten auf eine friedliche Lösung des Konflikts?

Wir haben alle das Wunder der Gebetswache mit dem Papst auf dem Petersplatz gespürt: kurz danach war die Gefahr eines militärischen Eingreifens in Syrien gebannt. Durch das Fasten und das Gebet können wir Christen Hoffnung schenken und diese unter verzweifelten Menschen verkünden. Wir müssen uns für den Aufbau eines neuen Syriens einsetzen. Ich ermutige alle, den Geist der Wahrheit und der Hoffnung nicht aufzugeben und keine Kompromisse mit der Kultur der Gewalt zu schließen. Alle wissen wir, dass sich für eine Lösung außer uns Syrern viele Länder einsetzten müssen, die direkt oder indirekt an dem Konflikt beteiligt sind. Alle Menschen guten Willens haben die moralische Pflicht ihre Regierungen zu einer friedlichen Lösung und zum Dialog in Syrien aufzufordern: dies wird zum Wohl der ganzen Menschheit gelangen. (PA) (Fidesdienst, 19/09/2013)


Teilen: