AMERIKA/ARGENTINIEN - ERZBISCHOF GULLIERMO JOSÉ GARLATTI VON BAHIA BLANCA: „IN DER GEGENWÄRTIGEN KRISE SPIELT DIE KIRCHE EINE WICHTIGE ROLLE BEIM AUFBAU EINER NEUEN GESELLSCHAFT IM LICHT DER WERTE DES EVANGELIUMS“

Donnerstag, 3 Juli 2003

Vatikanstadt (Fidesdienst) – Erzbischof Gulliermo José Garlatti von Bahia Blanca (Argentinien) hat am 29. Juni von Papst Johannes Paul das Pallium empfangen. Der Fidesdienst sprach mit dem Erzbischof über die Situation angesichts der in Argentinien seit zwei Jahren andauernden Krise, die Rolle der Kirche und die wichtigsten Herausforderungen, denen sie gegenübersteht.

Wie ist die Lage derzeit in Argentinien?
Seit nunmehr Rund zwei Jahren herrscht in unserem Land eine schwere Krise, die vor allem unter wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten große Schwierigkeiten mit sich bringt und zu einem ein Klima des Misstrauens gegenüber den Politikern geführt hat. Dies hat die Regierung geschwächt, für die es dadurch noch schwieriger geworden ist, die Situation unter Kontrolle zu halten. Die Wurzeln dieser Probleme sind, wie wir bereits bei mehreren Gelegenheiten beklagt haben, ethischer und moralischer Art: die Korruption ist in vielen Teilen der Gesellschaft weit verbreitet.

Welche Rolle spielt die Kirche in dieser Situation?
Die Kirche versucht so viel wie möglich dazu beizutragen, dass diese schwierige Situation gelöst werden kann. Dabei versuchen wir auch den Bedürfnissen zu entsprechen, die daraus entstehen. Die Argentinische Bischofskonferenz appelliert ständig an Institutionen, politische Parteien, Regierung und Gesellschaft. Bereits bei Ausbruch der Krise hat sich die Kirche für den Dialog im Rahmen der so genannten „Runde des Argentinischen Dialogs“ engagiert und versucht alle Strukturen, Institutionen und Verbände daran zu beteiligen, um einen Plan zu erarbeiten, der den Prozess der Wiederherstellung einleiten sollte. Diese Initiative hatte zwar nicht den erhofften Erfolg, weil die Teilnahme nicht den Erwartungen entsprach, doch der Dialog wird weitergeführt.
In den verschiedenen Diözese versuchen wir durch die Sozialseelsorge im Rahmen verschiedener Initiativen die Teilnahme aller zu fördern, dabei richten wir ein besonderes Augenmerk auf Konstruktivität und Verantwortlichkeit. Man arbeitet vor allem auch dafür, die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, das heißt wir kümmern uns um Arme und Ausgegrenzte, die am meisten unter den Folgen dieser Situation leiden. Dabei sollte auch die wichtige Rolle erwähnt werden, die Caritas Argentinien bei der Bewältigung der Krise durch das Bemühen um Hilfe für bedürftige Menschen spielt. Der Caritasverband ist und war sehr wichtig und genießt deshalb bei den Menschen ein großes Ansehen.
Die Kirche ist sich der wichtigen Rolle bewusst, die sie in der Krise spielt, denn es handelt sich um eine Situation, die aus einer kranken Gesellschaft entstanden ist, der die Werte abhanden gekommen sind. In einer solchen Perspektive ist die Evangelisierungstätigkeit der Kirche im Licht der Kirchlichen Soziallehre von lebensnotwendiger Bedeutung beim Aufbau einer neuen Gesellschaft. Nur auf diese Weise wird die Situation gelöst werden können. Denn wenn die Basis der ethischen und moralischen Werte fehlt, die zur Wiedergeburt der Institutionen und zur Wiederherstellung gesellschaftlicher Strukturen führt, die sehr gelitten haben, dann werden alle anderen Maßnahmen nur vorübergehend wirksam sein.

Welchen Herausforderungen steht die Kirche in Argentinien heute abgesehen von der Überwindung der sozialen und politischen Krise gegenüber?
Im Allgemeinen widmen wir im ganzen Land und insbesondere in meiner Diözese der Neuevangelisierung große Aufmerksamkeit: es ist sehr wichtig, dass wir uns um die Bildung unter verschiedenen Aspekten bemühen, damit diese zu einem ernsthaften Engagement für das Apostolat führen kann. Außerdem wollen wir versuchen, Priester- und Ordensberufe wieder zunehmend zu fördern. Obschon wir auch engagierte Laien brauchen, sind vor allem auch Hirten notwendig, die mit dem Vorbild eines gottgeweihten Lebens entsprechend der unterschiedlichen Charismen die Kirche bereichern. In Argentinien besteht deshalb ein großer Bedarf an Berufen. In meiner Diözese ist das Problem besonders akut und dringlich: wir haben wenige Priester und die meisten sind schon älter.
Eine weitere Herausforderung ist die Förderung des wahren christlichen Lebens im Geist des Evangeliums. Dabei sollte die Kirche in allen Bereichen präsent sein: im kulturellen, wirtschaftlichen, erzieherischen Bereich … Die Gläubigen sollten nicht nur als solche bezeichnet werden, weil sie zur Messe gehen und beten sondern es sollte vor allem auch in der Gesellschaft umgesetzt werden. Die großen Übel mit denen unsere Gesellschaft zu kämpfen hat, zeigen, dass auch wenn sie sich im Allgemeinen als christlich bezeichnet, oft in der Kultur nicht die christlichen Werte vorherrschen. Mit dieser Herausforderung müssen wir uns sehr ernsthaft beschäftigen.

Wie bereitet man sich in Argentinien auf den bevorstehenden Amerikanischen Missionskongress (CAM 2) vor?
In Argentinien schenkt man der Mission und den verschiedenen missionarischen Bewegungen in allen Diözesen viel Aufmerksamkeit. Wir werden aus wirtschaftlichen Gründen nicht direkt am CAM 2 teilnehmen können, denn die Kosten sind für uns zu hoch. Trotzdem versuchen wir das Missionsbewusstsein und das apostolische Engagement in diesem Sinn zu fördern: es besteht bereits ein gewisses Missionsbewusstsein, was vor allem die vielen Laiengruppen für Jugendliche unter Beweis stellen, die sich für die Mission engagieren. Auch die ist eine weitere Herausforderung für die Kirche in Argentinien: die Förderung der Berufe für die Mission ad gentes. (RG) (Fidesdienst 3/7/2003 – 74 Zeilen, 805 Worte)


Teilen: