AFRIKA/LIBERIA - „In Monrovia herrschen nach der Gewalt und der Frustration der vergangenen Jahre latente Spannungen“. Ein Missionar berichtet aus der liberianischen Hauptstadt

Samstag, 30 Oktober 2004

Monrovia (Fidesdienst) - „Es scheint mir, als ob wir um mindestens ein Jahr zurückgefallen wären, denn es herrscht dasselbe Klima der Gewalt und der Anarchie, die in Liberia jahrelang an der Tagesordnung waren“, so Pater Mauro Armanino von der Gesellschaft der Afrikamissionen (SMA) aus Monrovia zu den Ausschreitungen bei denen vier Menschen getötet und rund zwanzig verletzt wurden. „In der Stadt herrscht Ruhe und eine fast unwirkliche Stille nach der Bekanntgabe der Ausgangssperre. Es fahren keine Autos und auf den Straßen sind nur vereinzelte Fußgänger unterwegs“, so der italienische Missionar und Regionalobere seines Ordens. In der Stadt sind Sondereinheiten der Vereinten Nationen unterwegs, die im Land rund 15.000 irische Soldaten stationiert haben, die die Einhaltung der Friedensvereinbarungen und die Entwaffnung der Milizen kontrollieren sollen. Das Entwaffnungsprogramm sollte planmäßig am 31. Oktober abgeschlossen werden.
Bei den Ausschreitungen in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober wurden mehrere Gebäude geplündert, darunter auch Kirchen und Moscheen. „Es handelte sich nicht um religiöse Auseinandersetzungen sondern vielmehr um einen Ausbruch der latenten Spannungen, die nach Jahren der Gewalt und Frustration im Land herrschen“, so Pater Armanino. „Unter Präsident Charles Talyor wurden zum Beispiel die Angehörigen des Mandinga-Volkes, bei denen es sich vorwiegend um Muslime handelt aus ihren Wohnungen vertrieben. Ihr Land wurde beschlagnahmt und an die Anhänger des damaligen Präsidenten verteilt. Nicht zufällig gehörten der Guerillabewegung, die gegen Taylor kämpfte - LURD (Vereinte Liberianer für Versöhnung und Demokratie), vor allem - vor allem Mandinga an. Wer damals seine Wohnung und sein Land verlor, versucht es sich heute wieder zurückzuholen und dabei kommt es natürlich zu Spannungen und Gewalt.“
„Für die jüngsten Unruhen gibt es mindestens drei Gründe“, so der Missionar weiter, „Wie ich bereits sagte, gibt es Spannungen, die aus der Vergangenheit herrühren. Außerdem müssen sich die neuen Machtverhältnisse noch konsolidieren. Doch ausschlaggebend sind vor allem die Bedingungen, unter denen die meisten Einwohner des Landes leben. Trotz des Waffenstillstandes und der Programme zahlreicher Hilfswerke der Vereinten Nationen, haben sich die Lebensumstände der meisten Menschen nur geringfügig verbessert. Viele haben keine Wohnung oder keinen Arbeitsplatz und viele Familien haben sogar nicht einmal genug zu essen“, so Pater Armanino. „Gleichzeitig entstehen Bezugsmodelle, die für die meisten Liberianer unerreichbar sind. Ein Beispiel: In Monrovia wird es bald einen zweiten Anbieter für Mobilfunk geben. Da muss man sich doch fragen, ist es notwendig, dass in einer Stadt, in der es in vielen Stadtteilen nicht einmal eine Trinkwasser- und Stromversorgung gibt, ein zweiter Mobilfunkanbieter seine Geschäfte betreibt?“, so der Missionar. „Die Jugendlichen, die im Bürgerkrieg gekämpft haben, sehen wie ihre Anführer sich bereichern und möchten auch an diesem Gewinn teilhaben und dafür kennen sie nur einen Weg: die Gewalt“, so Pater Armanino abschließend. (LM) (Fidesdienst, 30/10/2004 - Zeilen, Worte)


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