AFRIKA/SUDAN - Was verbirgt sich hinter dem Wort Darfur und der Flucht eines Volkes? Weshalb lösen tausende Kilometer Sandwüste Massaker, Massenvergewaltigungen und Hungersnot aus?

Donnerstag, 8 Juli 2004

Rom (Fidesdienst) - „Es ist schwer zu verstehen, wie ein Konflikt zwischen Bauern und Viehzüchtern, wie sie es in vielen Teilen der Welt gibt, sich innerhalb eines Jahres in einem Völkermord an der Zivilbevölkerung ausweiten kann. Wie ist es möglich, dass sich eine Regierung mit so viel Gewalt gegen das eigene Volk wendet?“, fragt sich der seit langem im Sudan tätige italienische Comboni Missionar Pater Giovanni Battista Antonioni in einem Kommentar zur Situation in der westsudanesischen Provinz Darfur. „Darfur war immer eine sehr arme Region, in der es weder Ressourcen noch Infrastrukturen gab“, so Pater Antonini. „Die Einwohner der Region, das Volk der Fur (daher der Name Darfur der übersetzt ‚Haus der Fur’ bedeutet), sind größtenteils Bauern. Während der letzten Jahre haben sich in der Region andere Völker niedergelassen, bei denen es sich um arabische Viehzüchter und Hirten aus anderen Teilen des Sudan handelt- Regelmäßig kam es zu den Bauern aus dem Volk der Fur und den „fremden“ Viehzüchtern zu Streitigkeiten um die Verteilung des Wassers und des wenigen fruchtbaren Ackerlandes. Dieser Streit wurde im Allgemeinen nach traditioneller Art durch die Vermittlung zwischen den Stämmen beigelegt“.
Doch abgesehen von den Spannungen zwischen den verschiedenen Völkern gibt es in der Region auch einen ernsthaften politischen Konflikt: „Die Fur werfen der Regierung seit jeher vor, dass sie die Region nicht beachtet und keine Mittel zur Entwicklungshilfe zur Verfügung stellt“, so Pater Antonini. „Es gibt weder Krankenhäuser noch Straßen. Deshalb bildeten sich zwei oppositionelle Guerilla-Bewegungen.“
„Ich weiß nicht, wer diese Bewegungen finanziert. Doch seit der Krieg im benachbarten Tschad Anfang der 90er Jahre zu Ende ging ist es ist in der Region sehr einfach, sich Waffen zu beschaffen“, so Pater Antonini. „Vor einigen Jahren habe ich selbst gesehen, wie Kalaschnikow-Gewehre zu niedrigen Preisen verkauft wurden“.
„Die Reaktion der Regierung auf das Vorgehen der Aufständischen war sehr heftig. Der latente Konflikt zwischen Bauern und Viehzüchtern wurde manipuliert und in einen Krieg verwandelt“, so der Missionar. „Die arabischen Hirten in der extrem gewaltbereiten arabischen berittenen „Janaweed“-Miliz zusammengeschlossen, die von Kampfhubschraubern und von Flugzeugen der Luftwaffe unterstützt werden und systematisch Dörfer überfallen, von denen man annimmt, dass deren Einwohner die Aufständischen unterstützen.“
„Ich frage mich stets nach den Gründen für so viel Gewalt Darfur ist arm und es gibt keine strategischen Ressourcen. Weshalb kommt es also zu so viel Gewalt. Man sollte sich auch darüber bewusst sein, dass dieser Konflikt die Friedensvereinbarungen für den Südsudan gefährden“, so Pater Antonini. „Damit man sich ein vollständiges Bild machen kann, sollte man wissen, dass die beiden Guerillabewegungen in der Region Darfur politisch mit der Oppositionsbewegung der Beja in Verbindung stehen, die an der Küste des Roten Meeres von der Grenze zu Ägypten bis zur Grenze zu Eritrea leben. Auch das Volk der Beja, das bereits zur Zeit des römischen Reichs existierte, fordert von der Regierung mehr Aufmerksamkeit und Maßnahmen zur Entwicklungshilfe. Auch hier könnte ein gewaltsamer Konflikt entstehen“.
„Zu den größten Problemen des Sudan gehört das Misstrauen der in den Randgebieten des Landes lebenden Völkern gegenüber den Stämmen des Niltals, deren Vertreter stets die Regierung des Landes stellten“, betont der Missionar. „Regime und Ideologien haben sich geändert, aber die Führungskräfte des Landes kamen stets aus diesen Völkern. Der Grund für Konflikte wie der in Darfur sind vor allem in diesem Kontext zu suchen.“ (LM) (Fidesdienst, 8/7/2004 - 46 Zeilen, 566 Worte)


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