AMERIKA/MEXIKO - VI. Weltfamilientreffen (3) - „Das internationale Recht muss die Einheit der Familien schützen und dabei das sich heute immer weiter verbreitende Phänomen der De-facto-Familienzusammenführung bekämpfen“, so Erzbischof Marchetto in seinem Beitrag Thema Migrantenfamilie

Freitag, 16 Januar 2009

Mexiko City (Fidesdienst) – „Im aktuellen Panorama der internationalen Migration steht die Familien neuen Herausforderungen und unzähligen Nachteilen gegenüber“, so der Sekretär des Päpstlichen Rates für Migranten und Menschen unterwegs, Erzbischof Agostino Marchetto, in seinem Vortrag beim Theologisch-Pastoralen Kongress im Rahmen des VI. Weltfamilientreffens am 15. Januar. In seinem Vortrag bezog er sich auf die Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum 93. Welttag des Migranten und des Flüchtlings, die ebenfalls der Migrantenfamilie gewidmet war, und erinnerte daran, dass „vor allem in den Gesellschaften, in denen die Migration besonders ausgeprägt ist, die Rolle der Familie als Zelle, dem Individuum und dessen Produktions- und Erfolgsfähigkeit untergeordnet wird. Auch die Sprache als Vehikel der Kommunikation werde zu einer trennenden Barriere zwischen der ersten und den nachfolgenden Generationen, im Inneren ein und derselben Familie. Es wird so die Isolierung der Mitglieder einer Familie ausgeprägter, was oft bis zur Einsamkeit und Ausgrenzung geht… Die Isolierung ist vor allem unter den Frauen am meisten ausgeprägt, die in den vier Wänden der Wohnung leben, und nur wenig Gelegenheit zum Kontakt mit der Außenwelt haben, wenn sie nicht sogar zu Opfern von Menschenhandel oder Prostitution werden.“ Mit Bezug auf die „Grenzen“ erinnerte der Erzbischof daran, dass „in einer Welt, die freudig den Sturz der Mauer in Berlin begrüßte, heute weitere Mauern zwischen Stadtvierteln, Städten und Ländern entstehen.“
Das Migrationsphänomen bringe an sich „eine traurige Situation der Ausgrenzung mit sich, aus der Frustration und Unsicherheit entstehen und eine Konfliktualität zwischen dem Zuwanderer und seiner Familie und der Gesellschaft, in der sie leben“. Die Zuwandererfamilie sei ihrerseits versucht eine Reihe von „Schutzmechanismen“ umzusetzen, um ein Gleichgewicht im eigenen Leben zu finden. „Insbesondere beschränkt sie sich auf die eigenen Ziele und versuche ein ‚provisorisches Migrationsprojekt’ auf die Beine zu stellen, das sich auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt. Auf diese Weise beschränken sich die Ziele auf den wirtschaftlichen Bereich. Doch im Laufe der Jahre verändert sich der anfängliche Plan durch die Familienzusammenführung, die Geburt von Kindern oder dem Andauern der Migrationssituation radikal. In einem solchen Prozess der Ansiedelung werden insbesondere die ursprünglichen Ziele der Eltern auf die Kinder übertragen“.
Indem er über die Herausforderungen und Perspektiven der Migrantenfamilie sprach erinnerte Erzbischof Marchetto daran, dass die Zuwanderer und insbesondere ihre Familien zum Alltag der Gastländer gehören. Deshalb müssten die zivile Gesellschaft und die christlichen Gemeinden sich mit dem komplexen Problemen und Schwierigkeiten befassen „aber auch mit den Werten und den Ressourcen dieser neuen sozialen Realität“. In diesem Sinn sollten Beziehungen gefördert werden, die auf der einen Seite die Eingliederung in die Gesellschaft fördern und auf der anderen Seite „Gelegenheit zum persönlichen, sozialen, kirchlichen Wachstum für die Christen sind, die auf der Achtung der Gesetze, der Begegnung der Kulturen und Religionen und auf dem gegenseitigen Respekt der Werte basieren“. Der Erzbischof erinnerte in diesem Zusammenhang dran, dass „das internationale Recht die Einheit der Familien schützen und dabei das sich heute immer weiter verbreitende Phänomen der De-facto-Familienzusammenführung bekämpfen muss“
Eine besondere Kategorie der Migranten seien die Flüchtlingsfamilien, die eine herzliche Aufnahme in den Ländern erfahren sollten, in denen sie als Gäste leben. „Heute müssen wir jedoch die schmerzliche Beobachtung machen, dass das Verständnis und die Sympathie für Flüchtlinge schwindet“, so der Erzbischof. „Dies zeigt die Tatsache, dass man Maßnahmen ergreift, die ihnen das Leben und die Suche nach Asyl schwieriger machen. Oft werden Flüchtlinge auf negative Weise beschrieben und als eine Bedrohung oder als eine politische Last betrachtet, ohne dabei ihre Werte und den potentiellen Beitrag zu berücksichtigen, den sie im Gastland leisten können.“
Sodann erinnerte der Erzbischof auch an die Verbreitung des Menschenhandels, den er als ein „weiteres Drama des Dramas“ bezeichnete und daran, dass in den Ländern im Süden der Welt viele Millionen Flüchtlinge seit über 5 Jahren in „Aufnahmelagern“ leben, wo ihre Rechte oft nicht respektiert werden. Die Meisten, die in solchen Verhältnissen leben, seien oft schon bald von Lebensmittelspenden abhängig, die oft nicht ausreichten.
„Einer Familie unter solchen Bedingungen zu helfen ist schwierig“, so der Erzbischof abschließend, denn sie haben viele Auswirkungen auf die verschiedenen Komponenten der Familie und auf die Beziehungen untereinander. Die Mütter müssen oft feststellen, dass die Kinder sie nicht mehr respektieren und ihnen nicht mehr zuhören. Die Kinder handeln auf unabhängige Weise, da die Eltern ihre Bedürfnisse oft nicht erfüllen können und akzeptieren damit auch deren Führung nicht mehr. Außerdem – und das ist noch viel schlimmer – scheint auch die Verwicklung von Kindern und Frauen in die Geschäfte der sexuellen Ausbeutung zu einem Überlebensmechanismus geworden zu sein“. (SL) (Fidesdienst, 16/01/2009 – 66 Zeilen, 772 Worte)


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