ASIEN/PAKISTAN - CHRISTEN BESORGT NACH DER BILIGUNG DER SCHARIA IN DER PROVINZ NORDWEST, WO BISHER FREUNDSCHAFTLICHE BEZIEHUNGEN DES DIALOGS MIT MUSLIMEN BESTANDEN

Dienstag, 3 Juni 2003

Islamabad (Fidesdienst) – Die pakistanischen Christen sind verbittert und besorgt nachdem in der an der Grenze zu Afghanistan gelegenen North West Frontier Province erstmals in der Geschichte Pakistans die muslimischen Gesetze der Scharia eingeführt wurden. Pater Jacop Dogra, der Vikar der Diözese Islamabad-Rawalpindi, die sich in der die North West Frontier Province befindet, erklärte im Gespräch mit dem Fidesdienst: „Unser Schicksal liegt in den Händen Gottes. Wir machen uns Sorgen, denn wir hätten nicht gedacht, dass sie gesetzgebende Versammlung diesen Beschluss billigen würde. In der Provinz gibt es mehrere fundamentalistischen muslimische Religionsführer, die mit den Gefühlen der Menschen spielen. Nun werden wir abwarten müssen, um zu sehen, in welcher Weise diese Gesetze auf christliche Staatsbürger angewandt werden“.
Von den insgesamt 35 Millionen Einwohnern der Diözese Islamabad-Rawalpindi sind etwa 250.000 Katholiken, von denen viele im Bildungswesen und im Sozialbereich tätig sind. „Die Christen leben in der Provinz relativ ruhig“, so P. Dogra, „Abgesehen von einigen Episoden der Gewalt, zu denen es in der Vergangenheit gekommen war, können die Christen ihrer Tätigkeit Seite an Seite mit den Muslimen nachgehen. Es bestehen im Allgemeinen freundschaftliche Beziehungen des Dialogs, obschon fundamentalistische Gruppen immer wieder versuchen religiösen Hass zu schüren. Wir hoffen, dass ihnen dies nicht gelingt und dafür engagieren wir uns. Gewiss, die Billigung dieser Gesetze gibt Anlass zur Sorge. Wir warten ab, wie die Normalbürger darauf reagieren. Doch wir vertrauen ganz auf Gott“.
Am 2. Juni hatte das Parlament der North West Frontier Province, in der die Mutthhida Majlis-e-Amal (MMA)-Koalition, in der sich sechs seit Oktober 2002 regierende Parteien zusammenschließen, die Mehrheit hat, die muslimischen Gesetze der Scharia gebilligt. Nach Ansicht von Menschenrechtskämpfern inspiriert sich die MMA an den Prinzipien der Taleban. Der Ministerpräsident der Provinz, Aktram Durrani, gab bereits bekannt: „In unserer Provinz wird es keinen Platz für Bürger geben, die die Scharia befolgt“. In der Scharia ist die Amputierung der Hand als Strafe für Diebstahl und Steinigung bei Ehebruch vorgesehen. Außerdem wird der muslimische Religionsunterricht in den Schulen als obligatorisch festgelegt.
Unter den Bürgern der Provinz und in moderaten muslimische Gruppen kam es bereits zu ersten Protestreaktionen: 24 größtenteils muslimische Bürgermeister der Provinz traten von ihrem Amt zurück. Bürgerrechtler befürchten vor allem Auswirkungen auf die Situation der Frauen. Prevez Rafiq von der All Pakistan Minorities Alliance, in der Christen, Hindus und Sikh vertreten sind, wies im Zusammenhang mit der Einführung der Scharia darauf hin, dass „die Religion das politische Leben nicht beeinflussen dürfe“.
Verschieden Organisationen ziehen eine Klage beim Pakistanischen Verfassungsgericht in Betracht und vertreten dabei die Ansicht, dass die Einführung der Scharia gegen die Verfassung des Landes verstößt, das vom Staatsgründer Ali Jinnah 1947 als laizistischer Staat konzipiert wurde, der auch die Rechte religiöser Minderheiten garantieren sollte. Die religiösen Minderheiten in Pakistan erinnern auch an die von ihnen 1999 mit Erfolg durchgeführte Kampagne gegen die Shariat Bill, womit verhindert werden konnte, dass das pakistanische Parlament eine Verfassungsänderung billigte, mit der die Gesetze des Koran landesweit eingeführt werden sollte.
Von den insgesamt rund 140 Millionen Einwohnern Pakistans sind 3 Millionen Christen (davon 1,2 Millionen Katholiken). 96% der Bevölkerung sind Muslime.
(PA) (Fidesdienst, 3/6/2003 – 45 Zeilen, 527 Worte)



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