MISSION UND EMIGRATION - EUROPA/SPANIEN - Die Caritas, eine freiwillige Helferin, und die als Sklavin behandelte Rumänin. Umdenken als Missionare heute. (Korrespondenz aus Spanien von Luca De Mata - 4. Teil)

Mittwoch, 3 September 2008

Cuenca (Fidesdienst) – Meine Zeit in Cuenca (Spanien) neigt sich dem Ende zu, und ich habe noch einige Verabredungen. Ich muss überlegen, welche ich nutzen kann. Ich gehe zur Caritas zurück, wo ich Conchita kennen gelernt habe. Sie ist eine etwas besondere freiwillige Mitarbeiterin. Bei den freiwilligen Helfern handelt es sich eigentlich immer um besondere Menschen. Sie haben alle eines gemeinsam, das sie im Stillen leben: sie widmen ihre Fähigkeiten und ihre Freizeit der Liebe zu den Mitmenschen: sie machen sich zu treuen Instrumente des Lehramtes des Heiligen Vaters und ihrer Bischöfe für die Neue Evangelisierung der Völker.
Conchita kümmert sich seit 24 Jahren um Zuwanderer. Sie hilft ihnen damit man sie als menschliche Wesen anerkennt und als Personen behandelt, nicht wie einen Gegenstand aus den Booten der Sklaven.
Ich war viel in Afrika unterwegs, unter den Armen, die sich in den Slums am Stadtrand drängen oder in armen Dörfern leben und ich empfand es immer wieder auf dieselbe Art: ich befand mich nicht auf einem Kontinent, sondern auf einem Boot, das Sklaven transportiert. Boote, auf denen auch unsere Missionare viel Leid ertragen mussten, ihre einzigen wahren Freunde, die den Letzten der Letzten ihr Leben widmeten und dies auch heute noch tun.
Boote voller Menschen mit Ketten an den Füssen, zu Diensten, derer die sich als Kolonialherren bezeichneten, bei denen es sich jedoch oft um gewaltbereite Auswanderer handelte, die Grundstücke besetzten, die nicht ihre eigenen waren und Menschen ermordeten, die seit Jahrtausenden dort lebten und ihr eigenes Land, ihre eigenen Bräuche, ihre eigenen Träume und die ihrer Kinder auf legitime Weise verteidigten.
Ist das heute anders?
Das, was Conchita uns erzählt, lässt uns ehrlich darüber nachdenken, was heute geschieht. Können wir sicher sein, ich selbst als erster, dass wir mit unserem Schwiegen nicht zu Komplizen derer werden, die mit neuen Formen der Sklaverei herrschen und dabei die Verzweiflung und die Armut zum eigenen Vorteil nutzen, wobei ganze Völker langsam zu einer Kultur des Hasses, des Rassismus, der Mauern und der Vorurteile geführt werden?
Mauern aus Toten!
Einer Kultur der Freude stellt sich der zynische Egoismus derjenigen gegenüber, die etwas haben.
Die Erzählungen von Conchita, ihre Berichte, bewegen uns tief in unserem Inneren. Können wir da zulassen, dass unsere Uhr weiterhin nach der Zeit tickt, die sich in unserem mittelmäßigen Egoismus verschließt?

„Ich bin Conchita und ich bin in der Provinz Cuenca aufgewachsen, wo in Spanien die Windmühlen der Mancha stehen. Ich bin katholisch und Arbeite als freiwillige Mitarbeiterin bei der Caritas. Ich bin verheiratet und habe fünf Kinder, die groß und unabhängig sind. Ich habe Zeit und Kraft.
Ich möchte die Zeit meines Lebens, die mir noch bleibt, nicht nur der kleinen persönlichen Zufriedenheit widmen, sondern ich stelle es lieber ganz in den Dienst der Freude meiner Mitmenschen.
Wer braucht mehr als ein Zuwanderer den Trost und die Nähe einer Person, die ihm zuhört und die freundschaftlich mit ihm umgeht? Die dir hilft eine Sprache zu erlernen, damit du dich besser eingliedern kannst? Bei meiner Arbeit kommt es vor, dass ich Rumänen und Arabern Spanisch beibringe und oft handelt es sich dabei um Frauen. Unter ihnen hat mich eine Frau besonders beeindruckt, mit der ich heute befreundet bin:
Giorgina, eine Witwe aus Rumänien. Ihr Geschichte hat dazu geführt, dass ich mich schämte, Spanierin zu sein und sie unterscheidet sich nicht von vielen anderen Geschichten. Wenn ich sie höre, erscheinen sie mir als irreale Schande unserer Kultur. Giorgina arbeitete bei einem älteren Ehepaar im Haushalt. Dies wäre normal, wenn man ihr nicht verboten hätte, sich mit warmem Wasser zu waschen. „Dann würdest du uns zuviel kosten“, sagte man ihr. Und so musste sich Giorgina, auch wenn es bei uns sehr kalt war mit eisigem Wasser waschen. Und was bekam sie zu essen? Nur das Nötigste. Sie musste stets zu Diensten sein oder sich in ihrem Zimmer aufhalten.
Sie durfte nur hierher kommen, um Spanisch zu lernen, denn dies war auch den Arbeitgebern nützlich.
Sie sollte jedoch ihren Herrschaften nur zuhören und nicht sollte nicht antworten. Eine Bedienstete hat zu gehorchen.
Eines Tages sah ich sie weinen. Ich fragte sie: Kann ich etwas für dich tun? Sie wollte nur, dass ihr jemand zuhörte. Sie erzählte mir alles, doch in ihren Worten war kein Hass zu erkennen. Sie war eine Sklavin. Ich habe bei den zuständigen Behörden Anzeige erstattet.
Heute lebt Giorgina bei einer anderen Familie. Sie ist glücklich. Wenn es geht, gehen wir zusammen aus, sie zeigt mir Fotos von ihren Enkeln, denen es auch dank ihrer eigenen Opfer gut geht.
Die politischen und gesetzlichen Kontrollbestimmungen zur Zuwanderung wurden meiner Ansicht nach vor allem in den vergangenen zehn Jahren von Regierungen verabschiedet, die das Phänomen nicht wirklich verstanden haben. Man hat erlaubt – und dabei oft ein Auge zugedrückt, dass Menschen aus allen Teilen des Planeten zu uns kamen, weil man ihnen Arbeit versprach, nicht Versklavung. Dieser Betrug darf nicht toleriert werden. Dies ist die Aufgabe jedes demokratischen Staates.
Auf diese Weise ist eine kritische Masse entstanden, die dazu geführt hat, dass Löhne gesenkt wurden und dass die Schwarzarbeit zunahm. Man hat erlaubt, dass neue Formen der Unterdrückung von Menschen entstanden. Es gab keine genauen Regeln. Und wo es diese nicht gibt, werden sie auch nicht geachtet.
Dies gab es früher nicht, als spanische Gastarbeiter nach Deutschland oder in die Schweiz gingen. Wer heute vor Armut flieht, tut dies auf Flossen der Verzweiflung, auf Lastwagen und anderen Transportmitteln in der Hoffnung, auf die Kanarien oder nach Andalusien zu kommen.
„Improvisierte Systeme“ nennen es die Medien.
Niemand weiß, wie viele Menschen auf der Reise zum Glück sterben.
Das Meer ist mörderisch und es wird für seine Vergehen nicht zur Rechenschaft gezogen. Spanische Nichtregierungsorganisationen versuchen zu helfen. Doch Lösungen müssen an einem anderen Ort stattfinden. Die Probleme müssen bei ihnen gelöst werden, nicht bei uns.
In Cuenca sind die Probleme nicht so offensichtlich wie an der Küste. Hier kommen keine Boote an, hierher kommen Busse, die auch Clubs bedienen, in denen betrogene Sklavinnen aus dem Osten zur Prostitution gezwungen werden. Mädchen, denen man eine ehrliche Arbeit verspricht, und die dann Opfer unerhörter Gewalt, Sklavinnen von Ausbeutern und Freiern werden. Wie lange wartet die Regierung noch, bis sie dem ein Ende setzt?“. (aus Cuenca, Luca De Mata) (Teil 4 – Fortsetzung folgt) (Fidesdienst, 03/09/2008)


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