EUROPA/ITALIEN - „Wir dürfen nicht mit dem Leben spielen: Die Wissenschaft hat Zeiten, die respektiert werden müssen“. Ein Beitrag von Frau Dr. Campisi, Rednerin bei der Konferenz „Stammzellen zwischen Wissen und Gewissen“

Freitag, 5 März 2004

Rom (Fides) - Unter den Rednern der Fachtagung zum Thema „Stammzellen zwischen Wissen und Gewissen“, die demnächst in Rom stattfinden wird, befindet sich auch Frau Dr. Silvana Campisi, die im römischen Krankenhaus „Sant’Andrea“ die Abteilung für Fragen der Stammzellenforschung leitet.
„Mein berufliches Leben war immer mit der Stammzellenforschung verbunden. Während dieses Thema noch bis vor wenigen Jahren den Wissenschaftlern vorbehalten war, damals arbeitete auch ich als Wissenschaftlerin mit diesen Zellen, hat in der Zwischenzeit weiterer wichtiger Schritt stattgefunden: Stammzellen und ich sowie auch andere Wissenschaftler befinden sich nicht mehr nur in Laboren sondern auch in Krankenhäusern, d.h. dort wo die therapeutische Anwendung stattfindet. Heute wird überall über Stammzellen gesprochen, doch oft weiß man nur sehr wenig über sie, weshalb es Ziel dieser Konferenz ist, die über den Stand der Wissenschaft aufzuklären und zur Bildung eines Gewissens beizutragen, das im Umgang mit diesem Thema notwendig erscheint.
Man kann sich nicht darauf beschränken, Stammzellen nur unter wissenschaftlichen Gesichtpunkten zu betrachten, den man gelangt dabei unweigerlich in den Bereich der Bioethik. Jeder von uns, der in diesem Bereich der Wissenschaft tätig ist, muss sich mit seinem eigenen Gewissen und mit dem kollektiven Gewissen auseinandersetzen und unsere Glaubensstandpunkte wirken sich dabei in ausschlaggebendem Maß auf unsere Entscheidungen aus. Ich selbst habe das Bedürfnis verspürt, bioethische Studien zu betreiben, gerade weil es dabei um Themen geht, die den Kern unseres Wesens treffen.
Während Stammzellen früher im Labor eingeschlossen waren und sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand für sie interessierte, erweckten sie den Eindruck, als ob es sich um etwas Eigenartiges, eine Art kleiner Lebewesen handelte, die man nur beobachten konnte; auf einmal jedoch interessierten sich viele Personen dafür. Sowohl die wirtschaftliche Komponente als auch die Qualität der verbreiteten Informationen hat zu zahlreichen Verwechslungen zwischen Klonen. Stammzellen- und Embryonenforschung geführt. Diese Stammzellen wurden als Allheilmittel für alle Probleme betrachtet. Dabei sollte klar sein, dass das Klonen, auch das therapeutische Klonen, einen Sache ist und Stammzellen eine andere. Es besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden aber es ist nicht dasselbe.
Man sollte vor allem auch darauf hinweisen, dass Stammzellen nicht nur aus Embryonen sondern auch aus Knochenmark, Blut, der Nabelschnur, Gewebe (erwachsene Stammzellen) gewonnen werden. Dabei muss zwischen totipotenten (die sich in jede Art von Gewebe verwandeln können, A.d.Red.) und multipotenten (die sich nur in gewisse Arten von Gewebe verwandeln können, A.d.Red) Zellen unterschieden werden. Erste sind in den ersten Lebenstagen beim Embryo vorhanden und nur in diesem Fall kann daraus direkt ein neues Wesen entstehen.
Es muss auch bei der Nutzung dieser Stammzellen unterschieden werden. Wir dürfen nicht mit dem Leben spielen, wir dürfen nicht probeweise Individuen im Reagenzglas herstellen. Zu therapeutischen Zwecken finden wir in unserem Organismus Zellen, die mit den Embryozellen gleichwertig sind.
In meinem Beitrag zur Konferenz möchte ich feststellen, dass unter therapeutischen Gesichtspunkten auch erwachsene Stammzellen benutzt werden können, die man ebenso aktivieren, bearbeiten und manipulieren kann, damit sie Teil eines Gewebes werden, das in einen Organismus eingepflanzt werden soll. Die Hornhaut ist zum Beispiel sehr reich an erwachsenen Stammzellen, die gereinigt und aus denen unter geeigneten Bedingungen, die seit Jahren in den Laboren untersucht werden, zu einer Kultur werden und dabei eine neue Hornhaut entstehen lassen, die bei derselben Person eingepflanzt werden kann, bei der die Zellen entnommen wurden, weshalb es auch in keinem Fall zur Abstoßung kommt.
Auch die Nabelschnur, die im Allgemeinen weg geschmissen wird, ist reich an Stammzellen. Dabei handelt es sich um Zellen mit außergewöhnlichen Eigenschaften, die bei einer Einpflanzung in den Organismus der Mutter nicht abgestoßen werden und bei denen es auch bei einer Übertragung auf fremde Menschen weniger oft zu einer Abstoßung kommt als bei anderen erwachsenen Zellen. Leider ist das Sammeln dieser Zellen jedoch nicht einfach, denn in den Kreissälen gibt es zu wenig Personal und es fehlt oft an der Zeit zum Einsammeln.
Neue Erkenntnisse im Bereich der Stammzellenforschung gibt es nicht von einem Tag auf den anderen. Die Vorgänge sind nicht einfach, deshalb kommt die Wissenschaft zwar trotzdem voran, aber man sollte nicht unbedingt immer eine Nachricht daraus machen. Die Wissenschaft hat ihre Zeiten, die unbedingt respektiert werden sollten. Wenn wir die Wissenschaft zwingen, Wege zu beschreiten, die auf die Auswirkungen einer Nachricht oder wirtschaftliche Interessen abzielen, dann würden wir nur Monster schaffen. (AP) (Fidesdienst, 5/3/2004 - 62 Zeilen, 730 Worte)


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