AMERIKA/HAITI - Humanitäre Notlage in Haiti: „260.000 Menschen brauchen Lebensmittelhilfen, darunter 80.000 Kinder“. Ein Bericht von Carlo Maria Zorzi, AVSI-Vertreter in Haiti

Dienstag, 17 Februar 2004

Port au Prince (Fidesdienst) - Über die Folgen der jüngsten Guerillakämpfe im Norden Haitis berichtet der Vertreter des Verbandes der Freiwilligen im Internationalen Dienst (AVSI) in Haiti, Carlo Maria Zorzi, in einem Schreiben, das dem Fidesdienst vorliegt. Es folgt der vollständige Wortlaut:

„Genau eine Woche nach den bewaffneten Angriffen im Norden Haitis und der damit verbundenen Unterbrechung der Kommunikationswege besteht im Land eine humanitäre Notlage. Rund 260.000 Menschen sind nun von Lebensmittelhilfen abhängig, darunter 80.000 Kinder. Es handelt sich dabei um Menschen, die bereits vor Ausbruch der Guerillakämpfe unter der Lebensmittelnot litten und deren Lage sich nun zusätzlich verschlechtert hat. Die Trockenheit in einigen Landesteilen und paradoxerweise auch Überschwemmungen in anderen Regionen haben den Norden Haitis in eine wahre Hölle verwandet. Gegenwärtig ist die betroffenen Gebiete unzugänglich. Unterdessen hat das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (PAM) um die Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen für die Verteilung von Lebensmitteln gebeten. Auch die Mitarbeiter des Komitee des Internationalen Roten Kreuzes konnte bisher die Städte Gonaives und St. Marc, die Schauplätze der jüngsten Unruhen, noch nicht erreichen, obschon in St. Marc die Situation bereits wieder von der Polizei kontrolliert wird. Die Vereinten Nationen haben indes die Phase 4 (Evakuierung des gesamten Personals und Ausreise) für die Stadt Gonaives proklamiert, die sich weiterhin in den Händen der Rebellen befindet; für das ganze Verwaltungsgebiet Artibonite gilt die Phase 3 (Evakuierung des nicht unbedingt notwendigen Personals und der Familien); für die restlichen Landessteile und die Hauptstadt gilt die Phase 2 (Alarmbereitschaft). In Cap Haitien und Umgebung ist seit Tagen die Stromversorgung und die Versorgung mit Brennstoff unterbrochen. Schulen, Banken und Geschäfte bleiben geschlossen. Auch in Les Cayes im Süden des Landes ist Treibstoff knapp, obwohl es in diesem Teil des Landes noch ruhig ist. Auf den Hauptzufahrtsstraßen der Hauptstadt wurde der Verkehr heute morgen durch Straßenbarrikaden behindert, was zu einem totalen Verkehrschaos führte, dass sich erst am späten Morgen wieder auflöste. Die Kommunikationsverbindungen im Norden des Landes sind unterbrochen. Eine sanitäre Notlage könnte in den kommenden Stunden entstehen, da viele Krankenhäuser nicht mehr funktionsfähig sind und die Ärzte und das Pflegepersonal ihren Arbeitsplatz nicht erreichen können. Heute Abend werden wir wissen ob das Treffen zwischen Vertretern der CARICOM und der amerikanischen und kanadischen Regierung in Washington zur Entsendung von internationalen Polizeieinheiten zur Wiederherstellung der Ordnung führt. Die Partei des Staatspräsidenten Aristide wäre mit einer solchen Lösung einverstanden, die jedoch von der Opposition abgelehnt wird, da sie eine Konsolidierung der Macht des Staatsoberhauptes befürchtet. Auf Guantanamo (Kuba) wurden von den Vereinigten Staaten bereits 50.000 Plätze zur Aufnahme von möglichen Flüchtlingen aus Haiti bereitgestellt.“ (LM) (Fidesdienst, 17/2/2004 - 39 Zeilen, 443 Worte)


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