AFRIKA/NIGERIA - „Das Erdöl muss für unsere Entwicklung genutzt werden“, fordern die Einwohner des Niger-Deltas

Freitag, 9 Mai 2008

Lagos (Fidesdienst) - Zu den reellen oder angeblichen Gründen, die von den internationalen Medien im Hinblick auf den Anstieg der Erdölpreis angeführt werden, gehört die Erdölkrise im Nigerdelta, wo sich die Hauptfördergebiete Nigerias befinden.
In der Region agieren mehrere bewaffnete Gruppen, darunter die Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas (MEND), die die Arbeit der multinationalen Erdölunternehmen in der Region behindern oder in manchen Fällen blockieren. Die MEND verüben nicht nur Anschläge auf die Förderanlagen, sondern es werden auch Mitarbeiter der Erdölunternehmen entführt und erst gegen die Zahlung von Lösegeld wieder freigelassen.
Die Forderungen der Einheimischen nach mehr Beteiligung an den Gewinnen aus der Erdölförderung bilden den Kontext für das Entstehen solcher bewaffneter Gruppen. Gleichsam wird auch ein Ausgleich für die schweren Umweltschäden gefordert, die durch die Erdölförderung entstehen. Der Lebensstandard der einheimischen Bevölkerung verbessert sich nicht und die durch das Rohöl verursachte Umweltverschmutzung beeinträchtigt die traditionellen Wirtschaftssektoren der Region, wie den Fischfang und die Landwirtschaft. Die nigerianischen Bischöfe weisen immer wieder auf die Verschwendung der Gewinne aus der Erdölförderung hin, und die Tatsache, dass die Gewinne aus dem Erdölgeschäft nicht zum Wohl der Nigerianer investiert werden (vgl. Fidesdienst vom 13. November 2006 und vom 28. Dezember 2006).
Um den Forderungen der lokalen Bevölkerung entgegen zu kommen, schuf Staatspräsident Olusengun Obasanjo im Jahr 2000 die Kommission für die Entwicklung des Nigerdeltas (NDDC, Niger Delta Development Commission), die soziale Infrastrukturen entwickeln und nach Lösungen für die durch die Umweltverschmutzung verursachten Schäden suchen sollte.
Diese Einrichtung veranstaltete zusammen mit dem Verband der Nigerianischen Anwälte (Nigerian Bar Association, NBA) so genannte Friedensgespräche (Niger Delta Peace Parley), die am 7 Mai zu Ende gingen und in deren Rahmen einer Reihe von Forderungen formuliert wurden, die man beim nigerianischen Parlament vorlegen will. Es wird vor allem gefordert, dass der Besitz der Erdölvorkommen auf dem Festland (onshore) und vor der Küste (offshore) an die Einwohner des Deltas übertragen werden. Die Gemeinden sollen an Entscheidungsprozessen hinsichtlich der Förderung und Weiterverarbeitung von Rohöl beteiligt werden. Man wünscht sich die Nutzung neuer Technologien der Geoinformatik zur Schaffung einer genauen Landkarte der verschiedenen Deltagebiete im Hinblick auf die Aufteilung der Ressourcen unter den verschiedenen ansässigen Gemeinschaften. Die Erdölunternehmen sollen für die von ihnen verursachten Umweltschäden zur Verantwortung gezogen werden. Schließlich soll zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten für die Bevölkerung ein Fonds, die „Niger Delta Finance Corporation“, geschaffen werden, an dem sich die Erdölunternehmen beteiligen.
Unterdessen wird sich einer der Anführer der MEND, Henry Okah, nach seiner Festnahme in Angola und der nachfolgenden Auslieferung an Nigeria vor Gericht verantworten müssen: hinter politischen Forderungen verbergen sich oft auch kriminelle Absichten. Die meisten im Nigerdelta agierenden bewaffneten Gruppen betreiben zum Beispiel unter anderem Schmuggel mit dem von den Erdölpipelines abgezapften Erdöl. (LM) (Fidesdienst, 09/05/2008 - 42 Zeilen, 458 Worte)


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