VATIKAN - DIE WORTE DER GLAUBENSLEHRE von Don Nicola Bux und Don Salvatore Vitiello - Fortschritt, Erziehung und Freiheit

Dienstag, 18 März 2008

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Ein grundlegendes Missverständnis besteht in der Konfusion zwischen technisch-wissenschaftlichem Fortschritt und moralischem Fortschritt der Gesellschaft. Die Tatsache allein, teilweise enorme Veränderungen auf technologischer Ebene zu durchleben, die echte „Momente des Fortschritts“ für die Lebensbedingungen der Menschen sind und in dieser Hinsicht positiv - dies darf uns nicht glauben lassen, dass auch der moralische Fortschritt so leicht zu erreichen sei. Während der technisch-wissenschaftliche Fortschritt jeweils von einem Punkt ausgeht, den die vorherige Generation erreicht hatte, so verläuft der erzieherische und moralische Weg nicht auf diese Weise! Wie der Heilige Vater Benedikt XVI in der Enzyklika Spe Salvi erklärt: „Zunächst müssen wir feststellen, daß addierbarer Fortschritt nur im materiellen Bereich möglich ist. Hier, in der wachsenden Erkenntnis der Strukturen der Materie und entsprechend den immer weitergehenden Erfindungen gibt es klarerweise eine Kontinuität des Fortschritts zu immer größerer Beherrschung der Natur. Aber im Bereich des moralischen Bewußtseins und des moralischen Entscheidens gibt es keine gleichartige Addierbarkeit, aus dem einfachen Grund, weil die Freiheit des Menschen immer neu ist und ihre Entscheide immer neu fällen muß. Sie sind nie einfach für uns von anderen schon getan - dann wären wir ja nicht mehr frei. Freiheit bedingt, daß in den grundlegenden Entscheiden jeder Mensch, jede Generation ein neuer Anfang ist“ (Nr. 24).
Die Freiheit ist also immer neu und unter diesem ethischen und erzieherischen Gesichtspunkt ist jede Generation ein „neuer Anfang“. Dies ist keine entmutigende Aussicht, sondern vielmehr eine grosse Möglichkeit für das menschliche Leben selbst: dass es immer einen “neuen Anfang“ gibt ist eine Gnade, denn der Mensch ist nicht von seinen Schwächen bestimmt, sondern er kann immer wieder von Neuem beginnen, kann immer wieder von Neuem hoffen.
Der Papst fährt fort: Sicher können die neuen Generationen auf die Erkenntnisse und Erfahrungen derer bauen, die ihnen vorausgegangen sind, und aus dem moralischen Schatz der ganzen Menschheit schöpfen. Aber sie können ihn auch verneinen, weil er nicht dieselbe Evidenz haben kann wie die materiellen Erfindungen. Der moralische Schatz der Menschheit ist nicht da, wie Geräte da sind, die man benutzt, sondern ist als Anruf an die Freiheit und als Möglichkeit für sie da (ebd.).
Der „moralische Schatz der Menschheit“ ist das, was normalerweise, auch im konfessionellen Rahmen, „Tradition“ genannt wird: die kulturelle, religiöse und moralische Geschichte, der jeder Mensch, der auf die Welt kommt, angehört.
Zu verlangen, dass es eine Erziehung der Einzelnen, der Gesellschaft und der Generationen geben könne, ohne die Weitegabe und die Kenntnis eines solchen „moralischen Schatzes“ ist ganz einfach eine Illusion. Im Gegenteil, es ist gerade durch die Aufnahme und durch die kritische Überprüfung der Tradition, der wir „anvertraut“ worden sind, dass ein echter moralischer Fortschritt möglich ist, ein immer grösseres erzieherisches und ethisches Bewusstsein und deshalb eine grössere Freiheit.
Folglich ist der Schnitt mit der Tradition, mit dem „moralischen Schatz der Menschheit“ keine Garantie für mehr Freiheit, wie einige denken und vertreten, sondern er ist eine schwerwiegende Amputation der Freiheit, die nur dann wirklich entscheiden kann, wenn sie alle Faktoren der Wahl zur Verfügung hat, wenn sie persönlich sich selbst impliziert, auch wenn als Spannung.
Es gibt also einen echten moralischen Fortschritt nur dann, wenn das dringende Thema der Erziehung in den Mittelpunkt der Gesellschaft gestellt wird. Diese Erziehung muss immer „freie Erziehung zur Freiheit“ sein, wie der Heilige Vater in seinem Brief an die Diözese und die Stadt Rom (21. Januar 2008) schrieb.
(Fidesdienst 18/3/2008; Zeilen 40, Worte 555)


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