AFRIKA/TSCHAD - Rebellen belagern die Hauptstadt und bedrohen den Präsidentenpalast. Im Exklusiv-Gespräch mit Fides befragen sich einheimische Beobachter nach den Gründen dieses raschen Vormarsches

Samstag, 2 Februar 2008

N’Djamena (Fidesdienst) - Aus der Hauptstadt N’Djamena im Tschad erreichen uns nur bruchteilhafte Nachrichten über die Gefechte zwischen Aufständischen, die den Präsidentenpalast bedrohen. Im Gespräch mit dem Fidesdienst befragen sich einheimische Beobachter zu drei Aspekten der plötzlichen Zuspitzung der Lage.
An erster Stelle setzen sich die Milizen, die in N’Djamena eingefallen sind aus zwei Rebellenbewegungen zusammen: auf der einen Seite die UFDD (Union des Forces pour la Démocratie et le Développement, Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung) und auf der anderen Seite die RAFC (Rassemblement des Forces pour le Changement, Vereinigung der Kräfte für den Wandel) unter Leitung eines Neffen des Staatspräsidenten Idris Deby, Timan Erdimi. Gibt es jemanden der zwischen den beiden Bewegungen vermittelt um eine Einheitsfront gegen das Regime Deby zu schaffen? Staatspräsident war seit einiger Zeit mit einem Teil der Familie im Zwist, vielleicht ist deshalb einer der Anführer der Aufständischen einer seiner Neffen. Doch welche Pläne hegt dieses neue Bündnis?
An zweiter Stelle sollte man bedenken, dass sich die Basislager der Rebelleneinheiten an der Grenze zum Sudan befinden und es den Truppen in fünf Tagen gelang fast unbehelligt, die Hauptstadt N’Djamena zu erreichten. Es geht dabei um rund 300 Fahrzeuge, auf denen jeweils 10 bis 15 Soldaten mit ihrer Ausrüstung transportiert wurden. Wer liefert die Waffen und die Logistik zum Durchqueren eines so großen Gebiets, das größtenteils aus Wüste besteht? Nach einem Versuch die Rebellen rund 50 Kilometer vor N’Djamena an ihrem Vormarsch zu hindern, zogen sich die regulären Streitkräfte zurück, um sich in der Hauptstadt zu verschanzen. Weshlab?
Ein dritter fragwürdiger Aspekt, den die Beobachter ansprechen, ist das Verhalten Frankreichs: Offiziell unterstützt Frankreich weiterhin den Präsidenten Deby. Seit den 80er Jahren sind im Tschad tausende französische Soldaten und zahlreiche Flugzeuge der französischen Luftwaffe stationiert. Bisher griffen die französischen Soldaten jedoch nicht ein, sondern beschränkten sich darauf, den Sicherheitsdiensten. Nach Angaben der Nachrichtenagentur „France Press“ sollen tschadische Offiziere sich beschwert haben, dass nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen an die tschadischen Behörden weitergegeben werden. Erst vor kurzem kam es zu einer diplomatischen Krise im Zusammenhang mit dem Verdacht des Kinderhandel der gegen eine französische Nichtregierungsorganisation erhoben wurde. Die Rebellen baten Frankreich unterdessen um eine „Geste der Neutralität“.
Indes setzte Paris sein ganzes diplomatisches Gewicht für die Stationierung einer europäischen Friedenseinheit (EUROFOR) im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik ein, die sudanesische Flüchtlinge und Einheimische an der Grenze zwischen den beiden Ländern und der sudanesischen Region Darfur schützen soll. Die Machtübernahme pro-sudanesischer Rebellen könnte nach Ansicht der Beobachter die Stationierung der europäischen Friedenseinheiten beeinträchtigen, für die es erst am 28. Januar grünes Licht gegeben hatte. Der Vormarsch der Rebellen hat bereits für den Aufschub der Entsendung der ersten Soldaten aus Österreich und Irland gesorgt. (LM) (Fidesdienst, 02/02/2008 - 42 Zeilen, 469 Worte)


Teilen: