VATIKAN - AVE MARIA von Mgr. Luciano Alimandi - Wir können Gott nicht sehen, weil Gott so groß ist!

Mittwoch, 9 Januar 2008

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Wenige Tage vor Weihnachten durfte ich die Heilige Messe mit Grundschulkindern feiern, die sich mit ihren Eltern und Lehrern auf das Kommen Jesu vorbereiten wollten. Das Beten mit Kindern ist stets eine Freude und immer sehr belehrend, denn, wie der Herr im Evangelium sagt: „Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes“ (Mk 10,14). Und es ist wirklich so, dass dort, wo Kinder sind, auch ein Stück Himmel ist, der sich öffnet und uns das Geheimnis Gottes erkennen lässt.
Ich habe den Kindern folgende Frage gestellt: „Was meint ihr, weshalb können wir Gott nicht sehen?“ Ich wollte ihre Antwort wissen und diese auch die Erwachsenen wissen lassen, denn sie gehen nicht, wie wir, von großen Gedanken aus, die oft im Sumpf der Wahrscheinlichkeiten enden, und deshalb die menschliche Seele am Ende nicht befriedigen. Eines der Kinder sagte mit einer entwaffnenden Gewissheit: „Wir können Gott nicht sehen, weil Gott so groß ist!“ Oft vergessen wir „Großen“, dass Gott groß ist und wir denken nicht daran, dass wir es nicht sind. Wie oft hört man sagen: „Wenn es gibt, warum zeigt er sich dann nicht?“ Wie dumm ist ein Mensch, der glaubt, dass er sich Gott gegenüber stellen kann, als ob er sich auf gleicher Höhe befände, als ob er ihn ‚beurteilen’ könnte, als ob ‚er einer von uns wäre’“!
Und doch möchte auch die Natur, die uns umgibt, uns dabei helfen zu verstehen, dass das, was wirklich klein ist, das wirklich Große nicht sieht. Man braucht nur an eine Ameise zu denken, die ganz emsig ihre Brotkrümel von einem Ort zu einem anderen trägt. Wir beobachten sie aufmerksam, wie sie ihre ‚kilometerlangen’ Strecken zurücklegt, doch sie fühlt sich nicht beobachtet, denn sie ist so klein, dass sie nicht in der Lage ist, uns aus ihrem Blickwinkel zu sehen. Das Verhältnis zwischen uns und ihr ist so unverhältnismäßig, dass es unmöglich ist, einen „Blickkontakt“ herzustellen: wir sehen sie mit unseren Augen, doch die ihren können uns nicht sehen.
Würden wir den Menschen mit der Ameise vergleichen und Gott mit dem Menschen - und dies ist sehr anmaßend, denn Gott ist unendlich und wir sind endlich -, dann können wir dieses Feststellung verstehen: „Wir können Gott nicht sehen, weil Gott so groß ist“! Denn eine kleine Ameise, wie der Mensch im Vergleich zu Gott es ist, kann das nicht sehen, was immens ist, auch wenn es sich genau vor den eigenen Augen befindet.
Diese Antwort, die so unmissverständlich ist, ließ mich noch einmal über die außerordentliche Einfachheit des Kindes nachdenken, das, fast ohne selbst darüber nachzudenken, die tiefsten Glaubenswahrheiten intuitiv erkennt und sie mit der für seine Sprache typischen direkten Art besser an uns Erwachsene weitergeben kann.
Der Satz aus dem Evangelium „Lasst die Kinder zu mir kommen“ kann meiner Ansicht nach deshalb auch so ausgelegt werden, dass der Herr die Kinder bei sich haben wollte, um die Welt zu bekehren. Das Kind kann in der Tat, mit Unterstützung glaubender Eltern, ein ganz besonderer Apostel des Reiches sein. Welch wunderbares Geschöpf ist das Kind, wenn Gott selbst Kind geworden ist, um uns alle zu bekehren: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.
Die Stärke des Kindes besteht ganz in der Transparenz seiner Echtheit, in der außergewöhnlichen Einfachheit und in der authentischen Demut. Das Kind weiß, dass es klein ist und lässt sich deshalb gerne helfen. Doch wenn man erwachsen wird, wird dies zunehmend schwieriger, auch was den herrn angeht, denn es wächst der Stolz, der dazu führt, dass der Mensch sich „selbständig“ fühlen möchte. Die Begegnung mit Gott beginnt jedoch mit einer einfachen Feststellung: „Ich brauche Dich, weil ich ohne Dich nichts bin!“. Deshalb wird die Geburt Christi, wie uns das Evangelium berichtet, vor allem von den „armen im Geist“, den Hirten, gefeiert, die nach der Verkündigung der Engel ohne zu zögern zum Stall von Bethlehem gehen, um das Kind anzubeten. Die anderen, König Herodes, die Hohenpriester und die Schriftgelehrten, wussten zwar, dass Jesus in Bethlehem geboren werden sollte (Mt 2, 1ff), doch sie gehen nicht hin, denn sie fühlten kein Verlangen danach.
Auch der Heilige Vater lehrt uns: „Die Kleinen, die Armen im Geiste: sie sind die Hauptfiguren von Weihnachten, gestern wie heute; sie sind immer die Hauptfiguren der Geschichte Gottes, die unermüdlichen Arbeiter seines Reiches der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens.“ (Papst Benedikt XVI., Botschaft zum Segen „urbi et orbi“, 25. Dezember 2007). Dies Selbstständigkeit unterdrückt das Kind in uns, jenen Geist der wahren Demut, die die große Wahrheit der Gegenwart Gottes in der Welt intuitiv erkennt und die Unverhältnismäßigkeit erkennt, die zwischen einer kleinen Ameise und der immensen Größe Gottes besteht. Möge der Herr uns die Schönheit der einfachsten und wesentlichen Wahrheiten des christlichen Glaubens erkennen lassen, die das Leben authentisch machen und es nicht von den unzähligen Illusionen des Protagonismus, des Individualismus, des Absolutismus und des Relativismus verfälschen lassen, die das eigene ich verabsolutieren und Gott relativieren! (Fidesdienst, 09/01/2007 - 63 Zeilen, 828 Worte)


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